Physikerinnen und Physiker des Forschungszentrums Jülich und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben herausgefunden, dass sich Josephson-Kontakte – die grundlegenden Bausteine supraleitender Quantencomputer – komplexer verhalten als angenommen. Die einfache Grundschwingung wird – wie bei einem Musikinstrument – von Obertönen überlagert. Entsprechende Korrekturen können um den Faktor 2 bis 7 stabilere Quantenbits ermöglichen. Um ihre Erkenntnisse zu untermauern, haben die Forschenden experimentelle Nachweise aus mehreren Labors weltweit zusammengetragen, darunter die Universität zu Köln, die École Normale Supérieure in Paris und IBM Quantum in New York. (DOI: 10.1038/s41567-024-02400-8)
Alles begann im Jahr 2019. Die beiden Erstautoren Dr. Dennis Willsch und Dennis Rieger, damals noch Doktoranden in Jülich und Karlsruhe, hatten Schwierigkeiten, ihre Experimente mit dem Standardmodell für Josephson-Kontakte in Übereinstimmung zu bringen. Dieses Modell hatte Brian Josephson 1973 den Nobelpreis für Physik eingebracht. Um der Sache auf den Grund zu gehen, untersuchte das Team um Professor Ioan Pop am KIT weitere Daten der École Normale Supérieure in Paris sowie eines 27-Qubit-Geräts bei IBM Quantum in New York, zusätzlich zu Daten aus bereits veröffentlichten Experimenten. Unabhängig davon beobachteten Forschende der Universität zu Köln ähnliche Abweichungen vom Standardmodell.
„Gianluigi Catelani, der an beiden Projekten beteiligt war, erkannte die Überschneidungen und brachte die beiden Forschungsteams glücklicherweise zusammen“, so Dr. Dennis Willsch vom Forschungszentrum Jülich. „Das Timing war perfekt“, fügt Dr. Chris Dickel von der Universität zu Köln hinzu, „wir haben damals ganz unterschiedliche Konsequenzen des gleichen Grundproblems erforscht.“
Josephson-Kontakte bestehen aus zwei Supraleitern, die durch eine dünne isolierende Schicht voneinander getrennt sind. Seit Jahrzehnten werden diese Schaltungselemente mit einem einfachen Modell beschrieben, das auf eine simple Sinuskurve hinausläuft.
Dieses „Standardmodell“ beschreibt die Josephson-Kontakte, die zum Bau von Quantenbits verwendet werden, allerdings nicht vollständig, wie die Forschenden nun gezeigt haben. Stattdessen ist ein erweitertes Modell mit höheren Harmonischen erforderlich, um den Tunnelstrom zwischen den beiden Supraleitern korrekt abzubilden. Das Prinzip ist auch aus der Musik bekannt: Wenn man die Saite eines Instruments anschlägt, entsteht eine Grundschwingung, die von mehreren solchen Obertönen überlagert wird.
„Es ist schon faszinierend, dass in unserem Forschungsfeld mittlerweile so präzise Messungen möglich sind, dass sich damit diese kleinen Korrekturen auflösen lassen. Das vereinfachte bisherige Modell wurde mehr als 15 Jahre lang als ausreichend angesehen“, erläutert Dennis Rieger vom KIT.
Als die vier koordinierenden Professoren – Ioan Pop vom KIT und Gianluigi Catelani, Kristel Michielsen sowie David DiVincenzo vom Forschungszentrum Jülich – die Bedeutung der Ergebnisse erkannten, brachten sie eine große Gruppe von Expertinnen und Experten aus Experimentalphysik, Theorie und Materialwissenschaften zusammen, um gemeinsam überzeugende Argumente für das erweiterte Modell zu sammeln.
In der Veröffentlichung in Nature Physics beschreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Ursprung und Auswirkungen der Josephson-Oberschwingungen. „Als unmittelbare Konsequenz glauben wir, dass die Josephson-Oberschwingungen helfen werden, die Fehler von Quantenbits um bis zu eine Größenordnung zu verringern, was uns dem Traum eines universellen, supraleitenden Quantencomputers einen Schritt näherbringt“, resümieren die beiden Erstautoren der Arbeit.
Originalpublikation
Dennis Willsch, Dennis Rieger et al.: Observation of Josephson harmonics in tunnel junctions. Nature Physics, 2023. DOI: 10.1038/s41567-024-02400-8
https://www.nature.com/articles/s41567-024-02400-8
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