"Ein Leuchtturm in Europa" - Stabwechsel am SZS
Herr Klaus, wie sahen die Anfänge des SZS aus?
Joachim Klaus: Ausgangspunkt für das SZS war der Modellversuch "Informatik für Blinde", den ich nach 20 Jahren Erfahrung in der Studienberatung, zehn Jahren Arbeit im Fernstudienzentrum und als Behindertenbeauftragter der Universität 1986/87 gemeinsam mit dem Informatik-Mitarbeiter Karl Dürre entwickelte. Dürre, der später in die USA auswanderte, hatte den BrailleButler entwickelt, ein Editorprogramm für Screenreader und Braillezeile. Nach Förderungsende wurde der Modellversuch 1992 in das Studienzentrum umgewandelt und fest institutionalisiert. In den folgenden beiden Jahrzehnten wurde das SZS zu einer international führenden Einrichtung – zu einem europaweiten Leuchtturm.
Welche Ziele hatten Sie?
Klaus: Wir wollten vorrangig stets die neuesten Medien nutzen. Im Gegensatz zu anderen Serviceeinrichtungen haben wir keine Tonbandkassetten erzeugt, keine Texte aufgelesen. Das zweite Ziel war, für Sehgeschädigte bis dato verschlossene Studiengänge zu öffnen – in den Natur-, Ingenieur-, Wirtschaftswissenschaften – und Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Studieneinstieg, Studienverlauf und Studienabschluss zu schaffen, immer in enger Vernetzung mit Fakultäten und Instituten die Lehre zu unterstützen. Gleichzeitig setzten wir uns für die Studierenden an der Schnittstelle Arbeitsmarkt ein. Wir ermöglichten den Studierenden vielfältige Praktika und Studienmöglichkeiten im Ausland.
Hat das SZS denn Anstöße für vergleichbare Einrichtungen gegeben?
Klaus: In Deutschland gibt es keine vergleichbare Einrichtung. An der TU Dresden ist in kleinerem Maß etwas Ähnliches entstanden. Deshalb müssen wir uns immer wieder der Aufgabe stellen, dass Betroffene nach Karlsruhe geschickt werden oder wir die Betreuung übernehmen sollen – eine Auszeichnung und Herausforderung zugleich. Im Ausland waren meine Bemühungen erfolgreich: Gemeinsam mit österreichischen Kollegen haben wir in Linz ein Zentrum aufgebaut. Daneben steht große Aufbauarbeit in osteuropäischen Ländern, finanziert aus EU-Fördermitteln. Der Erfahrungstransfer in Länder, in denen die Situation von Sehgeschädigten, auch aufgrund bestimmter Krankheitsbilder, geradezu dramatisch ist, war uns sehr wichtig. In den vergangenen Jahren waren vor allem Zentralafrika – Äthiopien und Kenia – im Fokus. An diesem Engagement hängt weiterhin mein Herz.
Welche anderen Pläne haben Sie jetzt?
Klaus: Gerne möchte ich mich noch einmal mit den pädagogischen, organisatorischen, technologischen, aber auch politisch-gesellschaftlichen Aspekten der Geschichte des SZS befassen. Auch werde ich weiterhin an den Kongressen des ICCHP und dem ICC-Computercamp mitarbeiten und dadurch auch Rainer Stiefelhagen als jetzigen Leiter des SZS unterstützen.
Zu Ihnen, Herr Stiefelhagen: Der Titel Ihrer neu eingerichteten Professur lautet "Informatiksysteme für sehgeschädigte Studierende". Was ist darunter zu verstehen?
Rainer Stiefelhagen: Wir wollen neue, informatikgestützte Technologien entwickeln, um Sehgeschädigte zu unterstützen. Auch planen wir eine Ausweitung denkbarer Einsatzfelder, die über die Zielgruppe Blinde und Sehbehinderte hinausgehen: Die IT-Assistenzsysteme sollen auch für Menschen mit anderen Behinderungen und Einschränkungen entwickelt werden.
In der nächsten Ausgabe des Magazins lookKIT: das vollständige Interview mit Joachim Klaus und Professor Rainer Stiefelhagen zur Geschichte und Zukunft des SZS.
Zur Person: Joachim Klaus
1942 geboren, studierte Joachim Klaus in den 60er Jahren Germanistik und Romanistik an den Universitäten Heidelberg, Grenoble (Frankreich) und Tübingen. An der Universität Karlsruhe baute er von 1972 an das Beratungs- und Informationszentrums (biz) auf und leitete es bis 1992, ab 1984 brachte er das Fernstudienzentrum der Universität an den Start und leitete es bis 2007.
Von 1985 an wirkte er zudem als Beauftragter der Universität Karlsruhe für die Belange behinderter Studieninteressierter und Studierender, 1987 übernahm er die Leitung des Modellversuchs "Informatik für Blinde – Studium für Sehgeschädigte in Informatik und Wirtschaftsingenieurwesen" an der Universität Karlsruhe. Daraus entwickelte sich das Studienzentrum für Sehgeschädigte, das Klaus bis 2009 leitete.
Er wirkt in zahlreichen internationalen Projekten, Beiräten und Programmen zur Studienberatung, zur Unterstützung von Behinderten und zum Fernstudium mit. Von 1998 bis 2000 war er Präsident von FEDORA (Forum Europeen de l’Orientation Academique / European Forum for Student Guidance). Seit 2005 ist er Mitglied der Landeskommission für blinde und sehbehinderte Menschen Baden-Württemberg.
Joachim Klaus ist unter anderem mit der Verdienstmedaille des KIT, dem Silbernen Verdienstzeichen des Landes Oberösterreich und dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst des Bundespräsidenten ausgezeichnet worden.
del, 31.01.2012