In einem interdisziplinären Projekt ist es Wissenschaftlern des KIT gelungen, eine neue Erscheinungsform von optischen Resonatoren zu schaffen: Mikrokelche. Diese Polymerstrukturen sind durch ihre Form und ihre glatte Oberfläche besonders effiziente Quellen für Laserlicht. Zudem haben sie das Potenzial kleinste Bio-Moleküle, Viren oder Gefahrstoffe nachzuweisen.
Optische Mikroresonatoren ermöglichen den Einschluss und die Speicherung von Licht in einem Raum, dessen Größe geringer ist als der Durchmesser eines Haares. Mit ihrer Hilfe lassen sich grundlegende physikalische Effekte auf den Gebieten der Optik und der Quantenphysik untersuchen. Der Lichteinschluss in Mikroresonatoren basiert auf dem einfachen Prinzip der Totalreflexion. Licht wird an der Oberfläche des Resonators zurückgeworfen und so im Inneren des Resonators eingeschlossen. Dabei verlaufen die Lichtstrahlen entlang des Randes der Resonatoren und werden dort lange Zeit gespeichert, was zu einer hohen optischen Güte führt – man spricht von hier von optischen Flüstergalerien. Das Prinzip ist vergleichbar mit den Schallwellen, die entlang des Umfanges der Kuppel der St. Paul’s Cathedral in London laufen.
Gemeinsam ist es nun am KIT der Arbeitsgruppe von Professor Heinz Kalt, Institut für Angewandte Physik (APH) am Center for Functional Nanostructures (CFN) und der unabhängigen Nachwuchsgruppe um Dr.-Ing. Timo Mappes, Institut für Mikrostrukturtechnik (IMT), gelungen, neuartige kelchförmige Mikroresonatoren herzustellen. Erreicht wurde dies mit Hilfe eines speziell entwickelten thermischen Aufschmelzverfahrens. Die Mikrokelche bestehen aus Polymer und haben Durchmesser von 40 Mikrometern (ca. 1/3 eines Haardurchmessers). Diese besitzen eine extrem glatte Oberfläche und sind dadurch enorm leistungsfähig.
Prinzipiell sind zwei Anwendungen möglich. Die Mikrokelche können als neuartige Laser-Lichtquellen oder aber als extrem empfindliche Detektoren zum markerfreien Nachweis von Biomolekülen oder Gefahrstoffen verwendet werden. Markerfreie Nachweise sind besonders vorteilhaft, da sie ohne aufwendige chemische oder biologische Probenaufbereitung auskommen (d.h. es werden keine zusätzlichen Markierungen wie fluoreszierende Proteine oder Nanopartikel angeheftet) und dadurch günstiger und schneller als viele etablierte Verfahren sind.
Ziel der Wissenschaftler ist es nun, Lichtquelle und Detektor zusammen hochkompakt auf einem Chip zu integrieren, um für künftige Anwendungen ein sogenanntes Lab-on-Chip-System zu bilden.
Schema eines Lab-on-Chip-Systems mit Mikrokelch-Laser, der optisch
mit einem grünen Laser gepumpt wird (li); Mikrokelch-Resonator als Detektor für Biomoleküle (re).
(Schematische Darstellung: Institut für Mikrostrukturtechnik, YIG Mappes)
Die hohe Resonatorqualität hat noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: „Wir können den Laser mit geringer Energiezufuhr betreiben, was die Verwendung von Mikrokelch-Lasern in Bauteilen sehr attraktiv macht“, erklärt der Physiker Tobias Großmann, Mitarbeiter beider Arbeitsgruppen am KIT und Stipendiat der Karlsruhe School of Optics and Photonics (KSOP). Für die Lichtverstärkung bauen die Wissenschaftler organische Farbstoffe in die Polymer-Kelche ein. Durch die Anpassung der Farbstoffkonzentration lässt sich die Emissionswellenlänge der Laser ändern und somit deren Farbe gezielt anpassen.
Das Potenzial der entwickelten Mikrokelch-Resonatoren für künftige Anwendungen in der Industrie ist enorm. Neben dem hochempfindlichen und markerfreien Nachweis von Molekülen ist der Einsatz der Resonatoren als Filter in der optischen Datenübertragung oder als Quelle zur Erzeugung von nicht-klassischem Licht denkbar – eine Grundlage für künftige Quantencomputer.
Die Forscher am KIT haben die Mikrokelche mit massenproduktionstauglichen Verfahren der Halbleiterindustrie hergestellt. Somit ist der Transfer der Technologie in die Serienfertigung bereits mittelfristig möglich.
Bibliographie
[1] Tobias Grossmann, Mario Hauser, Torsten Beck, Cristian Gohn-Kreuz, Matthias Karl, Heinz Kalt, Christoph Vannahme und Timo Mappes, High-Q conical polymeric microcavities, Appl. Phys. Lett. 96, 013303 (2010)
[2] Tobias Grossmann, Simone Schleede, Mario Hauser, Mads Brøkner Christiansen, Christoph Vannahme, Carsten Eschenbaum, Sönke Klinkhammer, Torsten Beck, Jochen Fuchs, G. Ulrich Nienhaus, Uli Lemmer, Anders Kristensen, Timo Mappes und Heinz Kalt. Low-threshold conical microcavity dye lasers, Appl. Phys. Lett. 97, 063304 (2010)
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.