Der „Böse Ort“ hat seinen Schrecken verloren: Bei Lenzen im Landkreis Prignitz/Brandenburg macht die Elbe einen 90-Grad-Bogen. Jahrhundertelang galt diese Stelle, an der zudem die Wasserabflussbreite zwischen den Deichen stark verengt war, als hydraulisch besonders gefährlich. Noch beim Hochwasser 2002 gelang es nur mit enormem Aufwand, den Deich zu schützen. Das hat sich inzwischen geändert: Der flussnahe Deich wurde auf einem Abschnitt von mehr als 7,4 Kilometern um bis zu 1,3 Kilometer ins Hinterland verlegt. Der neue Deich ist rund 6,1 Kilometer lang, der alte Deich blieb stehen, wurde aber an sechs Stellen geöffnet. Zwischen den beiden Deichen entstand ein rund 420 Hektar großer Überflutungsraum, der bis zu 16 Millionen Kubikmeter Wasser fassen kann. Dieses Potenzial wurde beim Elbe-Hochwasser Anfang Juni voll ausgenutzt – und das Umland blieb von Schäden verschont. Beim Projekt „Lenzener Elbtalaue“ handelt es sich um die bis jetzt größte Deichrückverlegung Deutschlands.
„Das Projekt vereint vorbildlich Naturschutz, Hochwasserschutz, Tourismus und andere Auenutzungen“, erklärt Dr. Christian Damm vom Institut für Geographie und Geoökologie, Bereich WWF-Auen-Institut, am Karlsruher Institut für Technologie, Er hat die 2009 abgeschlossene Deichrückverlegung geleitet. Gestartet ist das Projekt als Naturschutzvorhaben mit dem Ziel, eine Auenlandschaft mit reicher Tier- und Pflanzenwelt wiederherzustellen, die dem wechselhaften Rhythmus des Flusses ausgesetzt ist – Trockenheit bei Niedrigwasser, Überflutung bei Hochwasser. Dazu bedarf es der Verbindung zum Fluss. Auf der ehemals als Weideland genutzten Fläche wurden Tausende von Eichen, Ulmen und Weiden gepflanzt. Die Bäume bremsen zugleich die Hochwasserwellen.
Der neu geschaffene Retentionsraum kann den Wasserspiegel bei extremem Hochwasser in diesem Abschnitt um bis zu 40 Zentimeter senken. Finanziert wurde das Projekt zu 75 Prozent vom Bund und zu 18 Prozent vom Land Brandenburg. Die verbleibenden sieben Prozent brachte der Trägerverbund Burg Lenzen e.V. mit einer Allianz verschiedener Naturschutzverbände um den BUND auf. „Selbstverständlich hat dieses Projekt nur eine regionale Wirkung“, erklärt Dr. Christian Damm vom KIT. „Die jüngsten Hochwasserereignisse zeigen jedoch, dass es sich lohnt, die natürlichen Funktionen der Aue, unter anderem auch als Rückhalteraum bei Überflutungen, wiederherzustellen. Aber weitere Projekte müssen folgen.“
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