Presseinformation 153/2015

Was den Bewohnern von Peking den Atem raubt

Forscher des KIT untersuchen seit zehn Jahren die Luftqualität in der chinesischen Hauptstadt
Smog in Peking: Die Aufnahme links entstand am 5. Dezember 2015 um 17 Uhr – die Aufnahme rechts am 6. Dezember 2015 um 14 Uhr. (Fotos: Stefan Norra)
Smog in Peking: Die Aufnahme links entstand am 5. Dezember 2015 um 17 Uhr – die Aufnahme rechts am 6. Dezember 2015 um 14 Uhr. (Fotos: Stefan Norra)

Der Smog-Alarm in dieser Woche in Peking zeigt, wie brisant das Thema Luftverschmutzung in der chinesischen Hauptstadt ist. Welche Faktoren die Luftqualität in der Megametropole bestimmen, untersuchen Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) bereits seit zehn Jahren. In der Arbeitsgruppe Umweltmineralogie und Umweltsystemanalyse um Professor Stefan Norra befassen sich die Forscher unter anderem mit der Entwicklung der Feinstaubbelastung. Vor wenigen Tagen richteten die chinesischen Partner um Professor Kuang Cen von der China University of Geosciences in Peking dazu ein Symposium aus.

 

Schlechte Sicht, Menschen mit Atemmasken, Fahrverbote, geschlossene Fabriken und stillgelegte Baustellen: In dieser Woche hat Chinas Hauptstadt Peking erstmals die höchste Stufe des Smog-Alarms ausgerufen. Eine graue Dunstglocke hängt über der Megametropole. Smog, das heißt eine stark erhöhte Konzentration von Luftschadstoffen, die bei bestimmten meteorologischen Bedingungen über dicht besiedelten Gebieten auftritt, stellt schon seit vielen Jahren immer wieder ein Problem in chinesischen Metropolen dar. Feinstaubpartikel von wenigen Mikrometern Größe können tief in die Lunge eindringen, von dort in die Blutbahn gelangen und Entzündungen auslösen. Mögliche Folgen sind Reizungen der Schleimhäute und Atemwege, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sogar Krebs.

 

Die Arbeitsgruppe Umweltmineralogie und Umweltsystemanalyse um Professor Stefan Norra am KIT befasst sich bereits seit 2005 mit der Luftqualität in Peking. So untersuchen die Forscherinnen und Forscher die langfristige Entwicklung der Staubbelastung, Wechselwirkungen zwischen natürlichen und vom Menschen verursachten Partikeln sowie die Auswirkungen der jeweiligen städtischen Nutzungstypen auf die Luftbelastung. Die Arbeitsgruppe ist am Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) und am Institut für Geographie und Geoökologie (IfGG) angesiedelt.

 

Jüngst untersuchten Professor Stefan Norra und Dr. Nina Jasmin Schleicher vom KIT gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Bordeaux und Peking die zeitliche und räumliche Verteilung sowie die Quellen von partikelgebundenem Quecksilber (HgP) in der Luft über Peking (N. J. Schleicher, J. Schäfer, G. Blanc, Y. Chen, F. Chai, K. Cen, S. Norra: Atmospheric particulate mercury in the megacity Beijing: Spatio-temporal variations and source apportionment. Atmospheric Environment 109, 2015. DOI: 10.1016/j.atmosenv.2015.03.018). Quecksilber kann Mensch und Umwelt schädigen. „Wie unsere Messungen ergaben, sind die Quecksilberkonzentrationen in Peking gerade in der Heizperiode alarmierend hoch“, berichtet der Geoökologe Stefan Norra. Denn die Konzentrationen waren zeitlich im Winter, räumlich in der Innenstadt innerhalb der dritten Ringstraße am höchsten. Als Hauptquelle der Quecksilberemissionen ermittelten die Forscher besonders die Kohleverbrennung; außerdem tragen Industrie, Verkehr sowie in geringerem Maße auch die rote Farbe an historischen Gebäuden dazu bei. „Quecksilber in der Luft sollte aufgrund seiner Toxizität künftig stärker im Fokus von Beobachtungsaktivitäten und Minderungsmaßnahmen stehen“, erklärt Norra.

 

Welchen Erfolg Maßnahmen zur Verringerung atmosphärischer Partikelbelastung haben können, zeigten die Olympischen Spiele 2008 in Peking. Damals durften in der Stadt und den umliegenden Provinzen nur halb so viele Fahrzeuge wie sonst fahren, Restaurants mit Kohleherden sollten Rußfilter einsetzen, die Produktion in der Schwerindustrie wurde teilweise unterbrochen. Stefan Norra und sein Team nahmen täglich Proben von Partikeln in der Luft, untersuchten Masse und chemische Zusammensetzung. Tatsächlich verringerten die Maßnahmen die Staubbelastung, aber nur solange sie in Kraft waren. Nach dem Ende der Olympischen Spiele nahm die Luftverschmutzung rasch wieder zu.

 

Vor einigen Tagen stiegen in Peking die Werte für den besonders gesundheitsschädigenden PM 2,5-Feinstaub (Partikel mit einem Durchmesser von 2,5 Mikrometern und weniger) auf über 600 Mikrogramm pro Kubikmeter – mehr als das 24-Fache des Grenzwerts der Weltgesundheitsorganisation. Vor allem Industrie, Verkehr und private Haushalte sind für die Feinstaubbelastung verantwortlich. Zu den vom Menschen verursachten Partikeln kommt in Peking noch geogener Staub hinzu, der durch natürliche Prozesse aus Trockengebieten herantransportiert wird. Er verursacht vor allem in den Frühjahrsmonaten weitere intensive Staubbelastungen, sogenannte Staubstürme.

 

Neben kontinuierlichen Messungen über Jahre zu verschiedenen Tageszeiten und an verschiedenen Standorten wurden in dieser Kooperation unter anderem die vertikale Ausdehnung der Luftbelastung mit Kolleginnen und Kollegen vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung und dem Institut für Regionalwissenschaften des KIT untersucht sowie das von Dr. Heike Vogel und  Dr. Bernhard Vogel  am Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Forschungsbereich Troposphäre am KIT entwickelte Programm COSMO-ART angewendet, um die Ausbreitung der Partikel zu modellieren. Für Peking ist ein wichtiges Ziel, Methoden zu entwickeln, um die Feinstaubbelastung für die jeweils nächsten Tage vorhersagen zu können.

 

Details zum KIT-Zentrum Klima und Umwelt: http://www.klima-umwelt.kit.edu

 

 

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

or, 11.12.2015
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Christian Könemann
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