Presseinformation 108/2017

Mit dem Höhenflugzeug in den asiatischen Monsun

Klimaforschung: Internationales Team untersucht die Luft in Höhen von bis zu 20 Kilometern – Ammoniak im Fokus der Wissenschaftler des KIT
Mit dem Höhenflugzeug Geophysica geht es für das Forscherteam in die „obersten Stockwerke“ des Monsuns  (Foto: Christof Piesch, KIT)
Mit dem Höhenflugzeug Geophysica geht es für das Forscherteam in die „obersten Stockwerke“ des Monsuns (Foto: Christof Piesch, KIT)

Der asiatische Monsun ist eines der dynamischsten und energiereichsten Wettersysteme unseres Planeten. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Europa untersuchen jetzt in Nepal erstmals die oberen Bereiche des Monsuns. Anhand der Ergebnisse wollen sie das globale Klimasystem besser verstehen. Die Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sind mit dem Fernerkundungsinstrument GLORIA beteiligt, das erstmalig hochaufgelöste Verteilungen verschiedenster Spurengase am oberen Rand der Monsunzirkulation liefern soll. Die Messkampagne ist Teil des Projektes StratoClim, Koordinator ist das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI).

 

Während unseres Sommers hat der asiatische Monsun Einfluss auf das Wettergeschehen der gesamten Nordhalbkugel. Wie in einem riesigen Fahrstuhl werden hier enorme Mengen an Luft bis in über 16 Kilometer Höhe geschleudert. Damit erreichen sie bereits den Übergangsbereich zur Stratosphäre, dem hohen Bereich der Atmosphäre, in der die Ozonschicht liegt. In der Stratosphäre verweilt die im Monsun dorthin gelangte Luft jahrelang und breitet sich weltweit aus. Satellitenbilder zeigen direkt oberhalb der Monsunregion eine dünne Wolke aus Aerosolen, in der Luft schwebende kleine Tröpfchen oder Staubkörnchen, welche sich über Südasien von der arabischen Halbinsel bis zur Ostküste Chinas erstreckt.

 

Aerosole können erwärmend oder abkühlend auf das Klima wirken, je nach ihrer Zusammensetzung und zum Teil in komplizierter Wechselwirkung mit Wolkenbildungsprozessen. Der Klimaeffekt von Aerosolen gilt als eine der größten Fehlerquellen bei der Vorhersage von Klimaänderungen. Die Zusammensetzung und Herkunft der Aerosolwolke über dem Monsun sowie die Prozesse, die zu ihrer Bildung führen, zählen zu den großen Rätseln der Klimaforschung. Es ist daher auch unbekannt, wie der Monsun auf Änderungen des Ausstoßes von Luftschadstoffen oder auf Klimaänderungen reagieren wird. Im Projekt StratoClim untersucht ein internationales Wissenschaftlerteam deshalb die Zusammensetzung der Luft, die sich nach dem Transport durch den Monsun in der Tropopausenregion und in der Stratosphäre ausbreitet.

 

Grundlage dafür sind insgesamt neun Messflüge des russischen Höhenforschungsflugzeugs Geophysika von Kathmandu aus. Mit an Bord ist das Messinstrument GLORIA, das KIT und Forschungszentrum Jülich (FZJ) gemeinsam entwickelt haben: Das Infrarotspektrometer analysiert die Höhenverteilung unterschiedlichster Spurgengase entlang des Flugpfads. Dabei haben die Forscher insbesondere Ammoniak im Blick, eine chemische Verbindung aus Stickstoff und Wasserstoff, die vor allem in der Landwirtschaft entsteht, etwa bei der Viehhaltung oder beim Einsatz von Düngemitteln. Die Forscher haben im vergangenen Jahr erstmals nachgewiesen, dass Ammonika in diesem Höhenbereich – zwischen 12 und 15 Kilometern – überhaupt vorkommt. Die aktuelle Messkampagne wird nun weitere Untersuchungen mit noch deutlich höherer Präzision ermöglichen. „Ammoniak ist maßgeblich an der Bildung von Aerosolpartikeln beteiligt. Nordindien und China sind Gebiete, in denen die Emission durch starke landwirtschaftliche Nutzung generell hoch ist. Unsere Messungen haben aber in keiner anderen Region Ammoniak in dieser Höhenschicht nachweisen können“, sagt Michael Höpfner vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung des KIT. „Das weist darauf hin, dass der Monsun eine wichtige Rolle bei der Bildung spielt. Es liegt nahe, dass das Ammoniak beim Aufsteigen der Luft in der Monsunzirkulation nicht vollständig ausgewaschen wird und so in die obere Troposphäre gelangt.“ GLORIA sei das derzeit einzige Instrument, das Ammoniak in diesen Höhen messen kann. Das Instrument ist zudem der Prototyp für AtmoSat, ein gemeinsames Satellitenprojekt von KIT und FZJ. Anfang Juli hatte der deutsche Wissenschaftsrat das Vorhaben hervorragend beurteilt.

 

Weitere Informationen:


www.kit.edu/kit/pi_2016_158_erstmals-ammoniak-in-der-oberen-troposphaere-nachgewiesen


http://www.kit.edu/kit/pi_2017_101_klimaforschung-atmosat-vom-wissenschaftsrat-herausragend-bewertet.php

 

Bei der Flugzeugkampagne in den Lufträumen Nepals, Indiens und Bangladeschs transportiert die „Geophysika“ – die mit 20 Kilometern die zweifache Flughöhe von Verkehrsflugzeugen erreicht – insgesamt 25 speziell entwickelte Messinstrumente. Messungen mit Höhenforschungsballons, die von Nepal, Bangladesch, China, Indien und Palau starten, begleiten die Kampagne, die noch bis Mitte August 2017 läuft. „Zu verstehen, wie der Monsun auf anthropogene Emissionen und Klimaänderungen reagieren wird, ist für die direkt betroffenen Länder in Asien von nahezu existenzieller Bedeutung. Durch die Rolle des Monsuns im weltweiten Wettergeschehen und seine entscheidende Bedeutung für die Zusammensetzung der globalen Stratosphäre wird dies aber auch zu einer erheblichen Verbesserung des Verständnisses des Klimageschehens in unseren Breiten führen“, erläutert Projektleiter Markus Rex vom AWI die Bedeutung der Forschung auch für Europa.

 

Über StratoClim

Das Forschungsprojekt StratoClim (Stratospheric and upper tropospheric processes for better climate predictions) wird von der Europäischen Union gefördert. Es hat das Ziel, Schlüsselprozesse im Klimasystem der oberen Troposphäre und der Stratosphäre besser zu verstehen, um dadurch zuverlässigere Prognosen des Klimawandels zu ermöglichen. An dem Projekt beteiligen sich mehr als 30 Forschungsinstitute und Universitäten unter Federführung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.

 

Weitere Informationen: http://www.stratoclim.org/

Details zum KIT-Zentrum Klima und Umwelt: http://www.klima-umwelt.kit.edu

 

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

le, 31.07.2017
Kontakt:

 

Christian Könemann
Pressesprecher
Tel: +49 721 608-41105
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