Presseinformation 049/2018

Geheimnisse des Urknalls und der Dunklen Materie

Mit Belle II geht in Japan ein weltweit einzigartiges Teilchenbeschleuniger-Experiment in Betrieb – Wissenschaftler des KIT sind maßgeblich beteiligt
Das neue Teilchenbeschleuniger-Experiment Belle II geht auf die Suche nach den Ursprüngen des Universums. (Foto: Felix Metzner, KIT)
Das neue Teilchenbeschleuniger-Experiment Belle II geht auf die Suche nach den Ursprüngen des Universums. (Foto: Felix Metzner, KIT)

Im japanischen Forschungszentrum für Teilchenphysik KEK nimmt nach acht Jahren Bauzeit das neue Teilchenbeschleuniger-Experiment Belle II den Betrieb auf. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt warteten gespannt auf die Nachricht von den ersten Kollisionen. Auch 20 Forscherinnen und Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sind an dem Experiment beteiligt. Mit den Daten von Belle II wollen sie die Vorgänge nach dem Urknall untersuchen und dem Geheimnis der Dunklen Materie auf die Spur kommen. Gestern Abend um 17.23 Uhr deutscher Zeit konnten die ersten Daten gemessen werden.

 

Eines der ersten Kollisionsereignisse  (Foto: KEK)
Eines der ersten Kollisionsereignisse (Foto: KEK)

 

Der Detektor Belle II wurde 2010 als Nachfolger des erfolgreichen Belle-Experimentes konzipiert, das von 1999 bis 2010 betrieben wurde und einige aufsehenerregende Erkenntnisse der physikalischen Grundlagenforschung ermöglichte. Sein Standort ist das Teilchenphysik-Forschungszentrum KEK, das rund 55 Kilometer nordöstlich von Tokio in Tsukuba, in der Präfektur Ibaraki liegt. An diesem Teilchenbeschleuniger kollidieren Elektronen mit gegenläufigen Antiteilchen und erzeugen dabei schwere Quarks und Leptonen, Teilchen, die im heutigen Universum nicht mehr existieren. „Während der Large Hadron Collider am CERN der Beschleuniger mit den höchsten Energien ist – dort wurde 2012 das Higgs-Boson entdeckt – besitzt der japanische Superbeschleuniger die hundertfache Intensität gegenüber den bisher betriebenen Anlagen“, erläutert Florian Bernlochner, Professor am Institut für Experimentelle Teilchenphysik des KIT, die Vorzüge des neuen Detektors.

 

Mit den Daten wollen Forscher Vorgänge kurz nach dem Urknall präzise untersuchen. Von besonderem Interesse ist die Erzeugung von sogenannten b-Quarks und deren Antiteilchen: bis zu 50 Milliarden dieser Materie-Antimaterie-Paare sollen in den kommenden acht Jahren produziert werden. Nach einer Lebenszeit von nur gerade mal anderthalb Billionstel Sekunden (10-12 s) zerfallen diese schweren Quarks in leichtere, stabile Teilchen. Dabei verletzen sie die sogenannte CP-Symmetrie (für diese Entdeckung gab es 2012 einen Nobelpreis), indem sich Materie und Antimaterie bei ihren jeweiligen Zerfällen leicht anders verhalten.

 

„Die Größe dieser Asymmetrie reicht allerdings nicht aus, um zu erklären, warum im frühen Universum bei der Abkühlung ein Überschuss an Materie übrig blieb. Aus diesem Überschuss setzt sich die heutige sichtbare Welt zusammen“, so Professor Bernlochner.

 

Das Belle II-Experiment sucht deshalb nach neuen Quellen von CP-Verletzung und neuen Phänomenen und Elementarteilchen. Von besonderer Wichtigkeit werden die Suchen nach dunkler Materie sein. Dunkle Materie ist nicht direkt sichtbar und interagiert nur schwach mit normaler Materie: Das Belle II-Experiment wird mittel-leichte Teilchen mit noch nie dagewesener Präzision suchen können.

 

Die blauen Linien sind rekonstruierte Spuren, die magenta- und cyan-farbigen Kreise sind Hits in der Spurenkammer und die roten Histogramme Energiedepositionen im Belle II-Kalorimeter. Die grünen Boxen sind Hits in dem KL-Detektor (ein instrumentiertes Joch, um Myonen oder langlebige Kaonen nachzuweisen). (Fotos: KEK)


 

Im KIT haben mehrere Institute wichtige Beiträge für das Belle II-Experiment geliefert: Das Institut für Theoretische Teilchenphysik hat maßgeblich zu der Entwicklung des vorgesehenen Physikprogramms beigetragen. Am Institut für Experimentelle Teilchenphysik wurden viele der Algorithmen entwickelt und implementiert, mit denen sich aus den elektronischen Signalen des Detektors die realen Teilchen rekonstruieren lassen. Erst dadurch können die Kollisionen analysiert werden. Nicht zuletzt wurden mit den Daten des inzwischen abgelösten Belle-Experimentes wichtige Vorstudien für die physikalischen Phänomene durchgeführt, die nun gemessen werden sollen. Das Institut für Technik und Informationsverarbeitung entwickelte neue Hardware, welche es erlaubt nach neuen Phänomenen in seltenen Zerfällen von Tau-Leptonen zu suchen. Am Institut für Prozessdatenverarbeitung und Elektronik und dem ASIC- und Detektorlabor wurden die strahlenharten Mikrochips für die Ansteuerung und Auslese von Pixelsensoren entwickelt.

 

Weitere Informationen auch in der aktuellen Presseinformation des japanischen Forschungszentrums KEK: https://www.kek.jp/en/newsroom/2018/04/26/0700/

 

Aktuelles Fotomaterial des KEK zum Download: https://www.kek.jp/ja/imagearchive/2018/04/26/0700/

 

Weitere Materialien:
Video zum Experiment Belle II: http://www.etp.kit.edu/belle2.php

 

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

jh, 26.04.2018
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