Deutschland schöpft Gründungspotenzial nicht aus
Die Attraktivität des Wissenschaftsstandorts Deutschland wurde zwar deutlich erhöht, so die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) in ihrem nunmehr zehnten Jahresgutachten, das der Bundeskanzlerin heute (15. Februar) in Berlin übergeben wurde. Es werde aber noch immer zu wenig in Forschung und Entwicklung investiert, bemängeln die Gutachter. Als Ziel für deutsche Investitionen in Forschung und Entwicklung gaben sie 3,5 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt aus.
„Besonders die Zahl der Unternehmensgründungen, insbesondere in der wissensbasierten Wirtschaft ist vergleichsweise gering“, sagt Professorin Ingrid Ott, Lehrstuhlinhaberin für Wirtschaftspolitik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Mitglied der EFI (Foto: 2. v.r.).
Start-ups und junge Unternehmen leisten nach Meinung der EFI einen wichtigen Beitrag zum Wirtschaftswachstum und zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. Erfolgreiche Gründungen schafften durch lokale Wertschöpfung Arbeitsplätze in Deutschland. Ott sieht hier für Deutschland noch großen Handlungsbedarf: „Die Zahl der Unternehmensgründungen ist im internationalen Vergleich gering, speziell in der wissensbasierten Wirtschaft.“ Das liegt für die Kommission insbesondere an der nach wie vor mangelhaften Finanzierung. Es fehle an ausreichendem Wagniskapital.
Zwar wurde mittlerweile, wie von der EFI mehrfach angeregt, die restriktive Behandlung von Verlustvorträgen neu geregelt. „Das ist erfreulich“, so Ott, „doch noch immer ist der deutsche Wagniskapitalmarkt weniger gut entwickelt als jener in anderen europäischen Ländern.“ Um hier Abhilfe zu schaffen, habe die Politik mittlerweile vielfältige Förderprogramme aufgelegt und weitere Maßnahmen angekündigt, wie zum Beispiel die Schaffung von Anreizen, die das finanzielle Engagement privater Akteure stärken. Abgesehen davon werde allerdings das in Deutschland vorhandene Gründungspotenzial noch nicht hinreichend ausgeschöpft: „Neben den fachlichen Kompetenzen muss auch Disziplinen übergreifend ein Gründungsbewusstsein geschaffen werden, damit Selbstständigkeit als eine realistische Option wahrgenommenen wird“, erklärt Ott.
Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) mit Sitz in Berlin leistet seit zehn Jahren wissenschaftliche Politikberatung für die Bundesregierung und legt regelmäßig Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands vor. Wesentliche Aufgabe der EFI ist es dabei, die Stärken und Schwächen des deutschen Innovationssystems im internationalen und zeitlichen Vergleich zu analysieren und die Perspektiven des Forschungs- und Innovationsstandorts Deutschland zu bewerten. Auf dieser Basis entwickelt die EFI Vorschläge für die nationale Forschungs- und Innovationspolitik.
mex, 15.02.2017