Parteien auf dem Prüfstand: Welche Rolle spielt der Wählerwille?
Eine Forschungsgruppe rund um Prof. Andranik Tangian vom Institut für Volkswirtschaftslehre des KIT hat untersucht, inwieweit Parteien im Bundestagswahlkampf tatsächlich den Willen ihrer Wähler repräsentieren. Dazu wurden Parteipositionen von 33 Parteien zu aktuellen Themen mit dem Ergebnis einer Reihe repräsentativer Meinungsumfragen verglichen. Die Auswahl der Themen erfolgte dabei entlang des bekannten Wahl-O-Mats, der seit 2002 von der Bundeszentrale für politische Bildung betrieben wird. Untersucht wurde der Gesamtdurchschnitt (Popularität) der Zustimmung der Deutschen zu den Parteipositionen sowie die Frequenz dieser Zustimmung bei den einzelnen Fragen (Universalität).
Überraschenderweise schneiden vor allem die großen Parteien bei dieser Betrachtungsweise insgesamt viel schlechter ab als bei direkten Wählerbefragungen. Nur eine kleinere Partei aus dem Bundestag von 2013 schafft es unter die Top Ten der Parteien, die ihre Wähler am besten repräsentieren. Betrachtet man nun die tatsächliche Zusammensetzung des Bundestags von 2013, so Andranik Tangian, dann entspricht die Repräsentativität zu den ausgewählten spezifischen Politikthemen insgesamt nur ca. 50 Prozent: „Das entspricht dem Wählerwillen genauso, als würde man bei wichtigen politischen Entscheidungsfeldern einfach eine Münze werfen.“ Allerdings schränkt der Wahl-Forscher ein, dass neben der Repräsentativität öffentlicher Meinung bei der Parteibindung auch noch weitere Faktoren zu berücksichtigen seien. Die Beziehung der großen Parteien zu ihren Wählern basiere nicht nur auf deren Positionen zu einzelnen Themen, sondern gestalte sich vielschichtiger und oft viel direkter als bei den kleinen Parteien. Zudem sei bereits die Auswahl der Fragen im Wahl-O-Mat grundsätzlich nicht neutral, vielmehr könnten spezifische Themen und Formulierungen das Ergebnis verzerren.
Zum Paper von Prof. Andranik Tangian
mhe, 20.09.2017