Die Energiewende macht einen Ausbau des deutschen Übertragungsnetzes notwendig. Im Rahmen des Kopernikus-Projektes ENSURE prüft das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) nun gemeinsam mit dem Netzbetreiber TenneT den Einsatz der Supraleitertechnologie als Alternative für herkömmliche Leistungskabel auf kurzen Abschnitten des Netzes. Die dafür am KIT konzipierten Supraleiterkabel sind effizient, leistungsstark und könnten nach Fertigung und erfolgreich absolvierter Testphase einen kompakteren Trassenbau im Drehstromnetz ermöglichen.
Die Gesamtlänge des Übertragungsnetzes in Deutschland beträgt aktuell etwa 35.000 Kilometer. Um sicherzustellen, dass der Strom aus erneuerbaren Energien auch dorthin gelangt, wo er gebraucht wird, ist im Zuge der Energiewende ein Netzausbau von etwa 5.300 Kilometern geplant. Vor allem in der Nähe von Städten und Dörfern sollen in Pilotprojekten dabei Erdkabel verwendet werden. Könnten in diesen Abschnitten teilweise supraleitende Kabelsysteme eingesetzt werden, dann hätte dies erhebliche Vorteile gegenüber konventionellen Kabelsystemen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Machbarkeitsstudie, die das KIT im Kopernikus-Projekt ENSURE zurzeit gemeinsam mit dem Netzbetreiber TenneT durchführt. Diese soll bis Ende des Jahres abgeschlossen werden und auch ökologische und ökonomische Abwägungen enthalten.
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Die Machbarkeitsstudie basiert auf konzeptionellen Kabel- und Kühlkonzepten, die speziell für die im deutschen Übertragungsnetz übliche Spannung von 380 Kilovolt (kV) ausgelegt sind. „Das ist technologisch eine große Herausforderung, weil auf diesem Spannungsniveau die Supraleitertechnologie noch nie eingesetzt wurde“, sagt Professor Mathias Noe vom Institut für Technische Physik (ITEP) des KIT, der die Entwicklung leitet. „Mit unseren neuen Kabelkonzepten konnten wir nun nachweisen, dass es technologisch grundsätzlich möglich ist.“ Die Kabelanlage wird für eine Dauerleistung von 2300 Megawatt (MW) konzipiert und besitzt bei hoher Strombelastung deutlich geringere Verluste als eine vergleichbare Freileitung oder herkömmliche Kabel mit einem Leiter aus Kupfer. Auch beim Trassenbau könnte die Supraleitertechnologie Vorteile bringen, erklärt Hanno Stagge, der das Projekt bei TenneT betreut: „Bei einer herkömmlichen Kabelanlage im Übertragungsnetz benötigen wir zwölf Drehstromkabel, eine supraleitende Kabelanlage könnte dieselbe Leistung mit sechs Kabeln übertragen.“ Dadurch könnten Netzbetreiber die Trassenbreite deutlich reduzieren. Ein weiterer Vorteil sei, dass aufgrund des Aufbaus der Kabel der Stromfluss in der elektrischen Schirmschicht kompensiert werde. Außerhalb des Kabels existiere deshalb kein Magnetfeld und das Kabel werde emissionsfrei betrieben. Bis zur Einsatzreife sei es aber noch ein weiter Weg: „Im Anschluss an die Studie muss das Kabel samt der notwendigen Verbindungsmuffen und Endverschlüsse zunächst gefertigt und anschließend zusammen mit einer Kühlanlage intensiv getestet werden“, sagt Hanno Stagge. Geklärt werden müsse dabei auch die Frage der Vorlaufzeit.
Supraleiter sind Materialien, deren elektrischer Widerstand beim Unterschreiten einer bestimmten Temperatur, der so genannten Sprungtemperatur, auf null fällt. In der Folge leiten diese Materialien Strom nahezu verlustfrei. Die neuartigen konzeptionellen Supraleiterkabel für das Übertragungsnetz basieren auf so genannten Hochtemperatursupraleitern aus Keramik. Während konventionelle Tieftemperatursupraleiter Sprungtemperaturen unterhalb 23 Kelvin haben, also minus 250 Grad Celsius, weisen Hochtemperatursupraleiter vergleichsweise hohe Sprungtemperaturen auf. Sie werden mit flüssigem Stickstoff auf eine Arbeitstemperatur von etwa 77 Kelvin – minus 196 Grad Celsius – gekühlt und können vergleichsweise kostengünstig betrieben werden, weil bei der Kühlung weniger Energie aufgewendet werden muss.
Dass der Einsatz der Supraleitertechnologie in der Energieinfrastruktur tatsächlich funktionieren kann, zeigt die Erfahrung des KIT mit dem Kabelprojekt „AmpaCity“, an dem die Forschungsuniversität beteiligt ist: Mit über einen Kilometer Länge ist es das längste Hochtemperatursupraleiterkabel der Welt und versorgt in Essen seit 2014 mit einer Spannung von 11 kV etwa 10.000 Haushalte effizient und stabil mit Strom.
Details zum KIT-Zentrum Energie: http://www.energie.kit.edu
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.