Rund 200.000 Kilometer hat die AERO-TRAM seit 2009 zurückgelegt – die Strecke entspricht einer fünfmaligen Erdumrundung. Auf insgesamt 6228 Messfahrten auf den Linien S1 und S2 des kvv-Netzes hat die mit einem Instrumentenpaket ausgestattete Stadtbahn Daten zur Schadstoffkonzentration gesammelt. Ein Ergebnis: Beim Übergang von der Karlsruher Innenstadt ins Umland nimmt die Stickoxid-Konzentration um rund 70 Prozent ab. Nun endete das Projekt von Klimaforschern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in Kooperation mit der Karlsruher Verkehrsbetriebe GmbH (VBK).
Feinstaub, Stickstoffdioxid, Ozon: Die Luftqualität sorgt in städtischen Ballungsräumen immer wieder für heftige Diskussionen. Wichtige Grundlage für das Entwickeln passender Maßnahmen sind fundierte wissenschaftliche Daten. Nach Abschluss des AERO-TRAM-Projekts steht den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung – Department Troposphäre (IMK-TRO) nun ein umfangreicher Datensatz zur Verfügung, der es ermöglicht, die Luftbelastung der Karlsruher Innenstadt sowie des Umlands in Abhängigkeit von Wetterbedingungen, Jahreszeiten und Verkehrsaufkommen darzustellen und zu interpretieren. „Beispielsweise treten vor allem im Winter Wetterlagen auf, bei denen sich Luftmassen kaum austauschen. Das führt dazu, dass die Konzentrationen direkt ausgestoßener Luftschadstoffe wie Rußpartikel und Stickoxide in dieser Jahreszeit besonders hoch sind. Dagegen erreicht Ozon seine höchste Konzentration im Sommer, weil es bei photochemischen Prozessen entsteht, also solchen, für die Sonnenlicht erforderlich ist“, erläutert Projektleiter Dr. Bernhard Vogel. Darüber hinaus arbeitet das Team daran, die Karlsruher Messergebnisse mit einem am KIT entwickelten Computermodell auf andere Städte abzubilden, für die keine vergleichbaren mobilen Messungen vorliegen. „Für das große Interesse an diesem gemeinsamen Forschungsprojekt sind wir dem VBK sehr dankbar. Die Erfordernisse der Forschungsarbeit mit denen eines reibungslosen Stadtbahnverkehrs zu koordinieren, war nicht immer einfach, hat dank des tollen Engagements aller Beteiligten aber bestens funktioniert“, so Vogel.
„Als kommunales Verkehrsunternehmen stehen wir mit unseren Angeboten für eine nachhaltige Mobilität, die die Umweltbelastung in Ballungsräumen reduziert und die Lebensqualität der Menschen erhöht. Deshalb haben wir dieses Projekt gerne unterstützt und hoffen, dass die nun gewonnen Daten den Wissenschaftlern am KIT wichtige Erkenntnisse zur Luftbelastung um Karlsruhe liefern. So können dann passende Gegenmaßnahmen entwickelt werden“, sagt Alexander Wetzl, Projektmanager für Forschung und Entwicklung bei den Verkehrsbetrieben Karlsruhe.
Klimadaten aus der Straßenbahn: die AERO-TRAM im Video
https://www.youtube.com/watch?v=vWlBm1KCFzM
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„Zum ersten Mal in Deutschland haben wir in einem städtischen Ballungsraum mit einem Tram-System hochaufgelöste räumliche Verteilungen von Partikel- und Stickoxiden – wie sie etwa im Straßenverkehr oder bei Verbrennungsprozessen entstehen – kontinuierlich über einen so langen Zeitraum gemessen“, sagt Bernhard Vogel. Mit Partikeln sind hier kleinste Schwebeteilchen (Aerosole) wie Ruß oder Staub gemeint, die aus vielfältigen natürlichen und vom Menschen verursachten Quellen stammen und die Wolkenbildung beeinflussen können.
Hohe Stickoxid- und Partikelwerte haben die Forscher in der Karlsruher Innenstadt vor allem an den Verkehrsknotenpunkten gemessen, etwas am Mühlburger Tor/Kaiserallee. Die Messungen mit der AERO-TRAM ergaben auch, dass beide Werte beim Einfahren in die Fußgängerzone (Kaiserstraße, Markplatz) schnell stark zurückgehen, im Mittel aber über den Werten des städtischen Umlands bleiben. Die Forscher stellten zudem fest, dass Partikelanzahl und Stickoxidkonzentrationen von der Windrichtung weitgehend unabhängig sind, bei geringen Windgeschwindigkeiten aber im Mittel um 50 Prozent höher sind als bei starkem Wind.
Die Daten zeigen weiterhin, dass im Vergleich zu den Partikelzahlen die Stickoxid-Konzentration beim Übergang von der Innenstadt zum Umland wesentlich schneller sinkt. So betrug die Abnahme beim Stickoxid 70 Prozent, während der Rückgang der Teilchenkonzentration nur 50 Prozent betrug. „Wir haben auch ein Gebiet in ländlicher Umgebung gefunden, in dem sich die Partikelzahlen wieder erhöhten und Werte erreichten, die mit dem Stadtbereich vergleichbar sind. Die Stickoxidwerte stiegen dort aber nicht an. Solche Hotspots können wir mit weit verteilten Messstationen nicht erfassen“, so Vogel. Die Quelle der hohen Partikelzahlen konnten die Wissenschaftler Industrieemissionen in etwa fünf bis zehn Kilometern Entfernung zuordnen. Aufgrund dieser Ergebnisse fand im Gebiet dieser erhöhten Partikelkonzentrationen Jahr 2016 ein Anschlussexperiment statt (http://www.imk-aaf.kit.edu/156.php). Dieses hatte zum Ziel, die chemische Zusammensetzung der Partikel detailliert zu erfassen. Die Auswertung dieser Kampagne dauert noch an
Über die AERO-TRAM
Gesamtziel des Projektes war die weitgehend automatisierte Langzeituntersuchung der Konzentrationen der Spurengase Ozon (O3), Stickstoffmonoxid (NO), weiteren Stickoxiden (NOx), Kohlenmonoxid (CO), Kohlendioxid (CO2) und Wasserdampf (H2O) sowie der Gesampartikelzahl und der Partikelgrößenverteilung im Raum Karlsruhe. Seit 2009 war dazu ein von den Verkehrsbetrieben Karlsruhe (VBK) bereitgestelltes Stadtbahnfahrzeug auf den beiden Linien S1/11 und S2 unterwegs, die jeweils vom Umland durch das Stadtzentrum wieder ins Umland führten. Dabei gab es Messungen der Luftqualität in einem Nord-Süd-Schnitt durch das Rheintal, von Hochstetten bis nach Bad Herrenalb sowie von Spöck im Nordosten Karlsruhes nach Rheinstetten im Südwesten.
Im Jahr 2011 erhielt die AERO-TRAM eine Auszeichnung im bundesweiten Innovationswettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“.
Weitere Informationen: http://www.aero-tram.kit.edu
Details zum KIT-Zentrum Klima und Umwelt: http://www.klima-umwelt.kit.edu
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.