Presseinformation 084/2018

Diamant – ein unverzichtbarer Werkstoff der Fusionstechnologie

Forscher am KIT entwickeln Fenstereinheiten mit Diamantscheiben für Fusionsreaktoren – Neue Scheibe mit Rekorddurchmesser von 180 Millimetern
Polykristalline CVD-Diamantscheiben für Fensteranlagen in Fusionsreaktoren und  Gyrotrons (Foto: Tanja Meißner, KIT)
Polykristalline CVD-Diamantscheiben für Fensteranlagen in Fusionsreaktoren und Gyrotrons (Foto: Tanja Meißner, KIT)

Klimafreundliche und fast unbegrenzte Energie aus dem Fusionskraftwerk – für dieses Ziel kooperieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit. Bislang noch wenig beachtet ist dabei die Arbeit mit dem Werkstoff Diamant, der für die Fusionstechnologie unverzichtbar ist. Forscherinnen und Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) entwickeln Scheiben aus Diamant für Fensteranlagen, durch die das Plasma in Fusionsreaktoren erhitzt wird. Gemeinsam mit dem Unternehmen Diamond Materials haben sie nun eine Diamantscheibe mit einem Durchmesser von 180 Millimetern gefertigt.

 

Die Sonne macht es vor: In ihrem Feuer verschmelzen Wasserstoffatome zu Helium und bei dieser Kernfusion werden riesige Mengen Energie freigesetzt. In Fusionskraftwerken auf der Erde könnte dieses „Sternenfeuer“ zu einer nachhaltigen und sicheren Energieversorgung beitragen. Weltweit arbeiten heute Fusionsforscherinnen und -forscher gemeinsam daran, die ersten Reaktoren ans Netz zu bringen. Am KIT werden beispielsweise für den internationalen Forschungsreaktor ITER und auch für kleinere Reaktoren, wie Wendelstein 7X und ASDEX Upgrade so genannte Gyrotrons entwickelt. Das sind Mikrowellenoszillatoren, mit denen im Reaktor – wie in einem sehr großen Mikrowellenofen – eine Temperatur von bis zu 150 Millionen Grad Celsius erzeugt wird. Dadurch erreicht der Brennstoff Tritium den für die Fusion notwendigen Plasmazustand. Um die Mikrowellenstrahlung aus den Gyrotrons in das Plasma zu führen und gleichzeitig ein Vakuum sowie das radioaktive Tritium im Inneren des Reaktors zu halten, konstruiert ein Team um Dr. Dirk Strauss und Professor Theo Scherer vom Institut für Angewandte Materialien (IAM) des KIT außerdem die passenden Reaktor-Fensteranlagen. Als Material für die Scheiben kommt dabei nur ein Werkstoff in Frage: „Diamant ist hier unverzichtbar“, sagt Dirk Strauss. „Kein anderes bekanntes Material kann der extremen Mikrowellenstrahlung standhalten und besitzt gleichzeitig die notwendige Durchlässigkeit mit geringen Verlusten."

Professor Theo Scherer (l.) und Dr. Dirk Strauss (r.) vom Institut für Angewandte Materialien (IAM) des KIT mit den Diamantscheiben (Foto: Tanja Meißner, KIT)

Professor Theo Scherer (l.) und Dr. Dirk Strauss (r.) vom Institut für Angewandte Materialien (IAM) des KIT mit den Diamantscheiben (Foto: Tanja Meißner, KIT)

 

Um Strahlung mit einer Leistung von über einem Megawatt in den Forschungsreaktor ITER zu leiten, wurden am IAM bereits eine Vielzahl Diamantfenster konzipiert und in Kooperation mit Industriepartnern hergestellt. Inzwischen arbeiten sie auch an den Fensteranlagen für den ITER-Nachfolgereaktor DEMO, mit dem ab etwa 2050 tatsächlich Strom produziert werden kann. Bei dieser Anlage werden durch einen geplanten Mehrfrequenzbetrieb der Mikrowellenheizung neuartige Gyrotrons notwendig, die zurzeit von der Forschungsgruppe um Professor John Jelonnek am Institut für Hochleistungsimpuls- und Mikrowellentechnik des KIT entwickelt werden. Diese neuen Gyrotrons erfordern wiederum neue Fensteranlagen mit größeren Diamantscheiben. Ein entsprechender Prototyp liegt nun vor: „Unsere Scheibe hat einen Durchmesser von 180 Millimetern und ist bis zu zwei Millimeter dick“, sagt Theo Scherer. „Damit ist sie die größte synthetische Diamantstruktur, die bisher einsetzbar gefertigt wurde.“ Nun werden am IAM die Oberflächenstruktur sowie die Hochfrequenzcharakteristik in Bezug auf Mikrowellenverluste des Fensters geprüft.

 

Hören Sie hier die Experten im Radiointerview:

 

Das Herstellen der Scheiben aus synthetischem Diamant erfolgt durch chemische Gasphasenabscheidung (chemical vapor deposition, CVD), einem speziellen Beschichtungsverfahren. Die CVD-Diamanten wachsen dabei auf einer Siliziumoberfläche in einem kleinen Vakuumreaktor, der mit einem Gasgemisch befüllt ist. Aus diesem wird – ähnlich wie im Fusionsreaktor, allerding unter viel geringerem Energieeinsatz – mittels Mikrowellenbestrahlung ein Plasma erzeugt. Dieses besteht aus atomarem Wasserstoff, der eine unerwünschte Graphitbildung verhindert sowie einer geringen Menge Methan, das den Kohlenstoff für den Diamanten liefert. „Es ist ein langwieriger und komplexer Prozess“, sagt Dirk Strauss. „Das Diamantfenster wächst dabei nur wenige Mikrometer in einer Stunde.“ Entsprechend teuer sei auch das Endprodukt. Die Herstellung jeder Diamantscheibe für den DEMO-Reaktor erfordere einen sechsstelligen Eurobetrag, berichtet Strauss.

 

Mit der neuen Diamantscheibe seien die Möglichkeiten des Werkstoffs Diamant für die Fusionstechnologie noch nicht ausgeschöpft. Bislang wurden die Diamantscheiben am IAM mit einer polykristallinen Struktur konzipiert, sie bestehen also aus einer Vielzahl winziger Diamanten. „Zurzeit arbeiten wir an der Entwicklung von einkristallinen Diamantscheiben“, sagt Theo Scherer. „Das könnte zu einer weiteren Verringerung der Mikrowellenverluste während der Transmission beitragen.“

 

Details zum KIT-Zentrum Energie: http://www.energie.kit.edu

 

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

mhe, 17.07.2018
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Dr. Martin Heidelberger
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