Starre Fertigungsprozesse und Produktlinien prägen bislang die Batteriefertigung für unterschiedliche Anwendungen von der E-Mobilität bis zum Power-Tool. Diese – im Hinblick auf Format, Material und Stückzahlen – zu flexibilisieren, ist Ziel des Forschungsprojekts AgiloBat. Darin entwickeln Forscherinnen und Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gemeinsam mit Partnern ein entsprechend agiles Produktionssystem. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK) fördert das Projekt mit bis zu 4,5 Millionen Euro. Für die nächste Stufe des Projektes ist eine Finanzierung mit bis zu 14 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) avisiert.
Die Produktion von leistungsstarken und mobilen Batteriezellen bildet heute das Rückgrat ganzer Wirtschaftszweige. Doch Batterien werden heutzutage hauptsächlich in Asien und Nordamerika gefertigt: „Gerade bei der Elektromobilität stehen wir im Automobilland Deutschland vor der Frage, wie wir bei der Batteriefertigung als Produktionsstandort gegenüber der internationalen Konkurrenz aufholen können“, sagt der Präsident des KIT, Professor Holger Hanselka. „Im Forschungsprojekt AgiloBat arbeiten wir hier am KIT gemeinsam mit unseren Partnern aus der Wissenschaft an einer starken Antwort: Einen technologischen Vorsprung erreichen wir mit innovativen Produktionssystemen, die aufgrund ihrer Flexibilität und Technologieoffenheit sowohl auf die Anforderungen der Industrie, als auch auf neue Erkenntnisse der Grundlagenforschung schnell reagieren können. Damit stellen wir die Weichen für eine größere Wertschöpfung in Deutschland und speziell in Baden-Württemberg.“
„Baden-Württemberg macht sich für Batterieproduktion in Europa stark. Unser Forschungsstandort setzt dafür bereits heute weltweit anerkannte Impulse in der Batterieforschung“, sagte Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. „Das bestehende Netzwerk aus Wissenschaft und Unternehmen ist die Grundlage, um das enorme Wissen auch rasch in Wertschöpfung zu übersetzen. Dafür benötigen wir Pionierprojekte wie AgiloBat, die das Netzwerk bereichern und sein Wachstum fördern. Dies verfolgen wir gemeinsam mit dem BMBF im Rahmen des Dachkonzeptes Forschungsfabrik Batterie.“
Vom Produkt zum Batteriesystem
Aktuelle Produktionssysteme für Batteriezellen sind nicht in der Lage, verschiedene Formate, unterschiedliche Materialien oder gar in variablen Stückzahlen zu fertigen. Sie produzieren standardisierte Zellen, welche zwar eine hohe Qualität aufweisen, aber nicht spezifisch auf Kundenwünsche angepasst sind. Professor Jürgen Fleischer, der Projektleiter und Leiter des Instituts für Produktionstechnik (wbk) am KIT sagt: „Wir wollen weg von der starren Transferstraße hin zu agilen und flexiblen Produktionssystemen. Da der Produktlebenszyklus für einzelne Produkte heute immer kürzer und die Anforderungen immer vielfältiger werden, müssen die Produktionssysteme für Batterien an diese neuen Bedingungen angepasst werden. Im Forschungsprojekt AgiloBat werden wir agile und modulare Systeme unter dem Aspekt der integrierten Produktentstehung durch eine parallele Produkt- und Produktionsanlagenentwicklung erforschen und entwickeln. Gemeinsam mit unseren Partnern werden wir dabei ein System zur Produktion von Batteriezellen für flexible Formate und Materialsysteme aufbauen.“
Die Vorgehensweise in diesem Projekt unterscheidet sich also grundlegend von der etablierten Batteriefertigung und -auslegung. Der Fokus liegt auf einer gesamtheitlich optimierten Zelle – hinsichtlich Ressourcen, Kosten und Leistung. Die Grundidee ist, ein Batteriesystem immer optimal auf die jeweilige Anwendung und den verfügbaren Platz anzupassen. So gibt es an eine Batterie für ein E-Fahrzeug beispielsweise völlig andere Anforderungen als an eine Batterie in einem Power-Tool. Bei dem zukünftigen Produktionsprozess werden diese Bedarfe in Parameter für Batteriezellen übersetzt und ein passendes Batteriesystem aus formflexiblen und für unterschiedliche Anforderungen optimierten Zellen kombiniert. Auch Energiedichte oder Schnellladefähigkeit werden so variabel anpassbar. Eine intelligente Vernetzung und ein modularer Aufbau der Produktion machen kleinere Stückzahlen mit maßgefertigten Zellen für mittelständische Betriebe genauso möglich, wie eine wirtschaftliche Fertigung in Großserien. Konzipiert wird eine Pilotanlage für die etablierte Lithium-Ionen-Technologie, neue Materialkonzepte können aber schnell in das adaptive Produktionssystem integriert werden. Diese unterschiedlichsten Anforderungen wirken sich maßgeblich auf die gesamte Produktionskette und die einzelnen Produktionsschritte aus. „Das vorhandene Prozessverständnis der einzelnen Teilschritte muss dahingehend erweitert werden, dass verschiedene Zelldesigns möglich und die einzelnen Bearbeitungsschritte flexibel sind“, betont Fleischer. „Zudem gilt es, die einzelnen Prozessschritte zu einem Gesamtprozess zu verketten, um schlussendlich eine prototypische Fertigung in einer Pilotanlage erfolgreich umzusetzen.“
Um dieser komplexen Aufgabe gerecht zu werden, nutzen die Forscherinnen und Forscher modulare Roboterzellen mit universell einsetzbaren Prozessmodulen, einheitlichen Schnittstellen und einem vorgeplanten Skalierungskonzept. Durch das modular erweiterbare Produktionssystem senken sie zudem das Investitionsrisiko, da im Bedarfsfall weitere Produktionsmodule stufenweise installiert werden können. Auf diese Weise legt AgiloBat die Basis für Unternehmen, die künftig Batteriezellen zu konkurrenzfähigen Kosten in Baden-Württemberg produzieren wollen.
Weitere Informationen zu AgiloBat
Im Forschungsprojekt AgiloBat arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus sieben Instituten des KIT gemeinsam mit Partnern am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) sowie dem Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) an dem neuen Produktionssystem. Dazu müssen Maschinen und Anlagen zur agilen, flexiblen und hocheffizienten Produktion entwickelt und aufgebaut werden. AgiloBat ist ein Baustein des Innovationscampus „Mobilität der Zukunft“ und ist in den „Strategiedialog Automobilwirtschaft“ eingebettet. Finanziert wird das auf vier Jahre ausgelegte Vorhaben durch eine Förderung von bis zu 4,5 Millionen Euro durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK) und mindestens eine Million Euro Industriebeteiligung. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat eine Finanzierungsabsicht mit bis zu 14 Millionen Euro beziffert.
Informationen zum Innovationscampus: https://www.kit.edu/kit/pi_2020_001_mit-produktionstechnik-zur-nachhaltigen-mobilitat.php
Informationen zum Strategiedialog Automobilwirtschaft: https://stm.baden-wuerttemberg.de/de/themen/strategiedialog-automobilwirtschaft/
Details zum KIT-Zentrum Energie: http://www.energie.kit.edu
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.