Wachstumsmechanismus der Pilze entschlüsselt
Pilze wachsen mit röhrenartigen Zellen, die sich kilometerlang verlängern können, und das Wachstum findet ausschließlich an der Spitze statt. Wie das genau funktioniert, haben Forscher des KIT nun herausgefunden: Baumaterialien werden auf Schienen durch die Pilzzellen transportiert und an deren äußerster Spitze verbaut. Wann das geschieht, regelt die Calciumkonzentration am Zellenende. Dies berichten die Wissenschaftler in den Proceedings of the National Academy of Sciences USA (PNAS).
Experten vermuten, dass es bis zu fünf Millionen Pilzarten gibt – viel mehr als Pflanzen oder gar Insekten. Die Mehrheit davon sind Hyphenpilze. So genannt, weil ihre fadenförmigen Zellen, die Hyphen, im Boden feine weitläufige Geflechte bilden. Wie die einzelnen Hyphen durch endloses Ausdehnen ihrer mikroskopisch kleinen Spitzen wachsen, haben Reinhard Fischer vom Institut für Angewandte Biowissenschaften (IAB), Gerd Ulrich Nienhaus vom Institut für Angewandte Physik (APH) und Norio Takeshita in ihren Arbeitsgruppen erforscht.
Anders als beim „gewöhnlichen“ Wachstumsprozess mittels Zellteilung, wächst die Hyphe quasi unendlich, indem sie sich an der Spitze immer weiter ausdehnt. Die Karlsruher Forscher fanden heraus, dass die Hyphenspitze durch bestimmte Proteine markiert wird. Angeliefert wird das benötigte Baumaterial in Vesikeln, kleinen Bläschen, die auf Motorproteinen sitzen, die wiederum auf langen Schienen laufen. An der Spitze angekommen, heften sich die Vesikel an die Zellwand an und verschmelzen mit dieser, so dass sie sich weiter ausdehnt. Gesteuert werden die Wachstumsschübe mittels Calciumkonzentration am Hyphenende. Ist die Konzentration gering, startet die Transportphase. Gibt es einen Calciumpuls, verschmelzen die Vesikel mit der Zellmembran und geben ihren Inhalt nach außen. Sichtbar gemacht hat das Team die Wachstumsprozesse, indem es Schlüsselelemente der Signal- und Transportmaschinerie in der Zelle mit fluoreszenten Proteinen markiert habe, um die Vorgänge per optischer Fluoreszenzmikroskopie sichtbar zu machen.
Die Wissenschaftler erwarten, dass ihre neuen Erkenntnisse bei der Entwicklung von Pilzvernichtungsmitteln sowohl in der Landwirtschaft als auch im klinischen Bereich und bei der Optimierung biotechnischer Prozesse in der Arzneimittelproduktion Anwendung finden werden.
Weitere Informationen in der Presseinformation 068/2017.
mex, 30.05.2017