Mund-Nasen-Schutz: Wie Masken und Lüften vor infektiösen Aerosolen schützen
Auch wenn erste Bundesländer über die Abschaffung der Maskenpflicht in Geschäften diskutieren – derzeit gehört der Mund-Nasen-Schutz in Deutschland zum Alltag. Die Forschung weiß inzwischen, dass Aerosole bei der Übertragung des COVID-19-Erregers eine wichtige Rolle spielen. Forscherinnen und Forscher des KIT untersuchen die die Entstehung, Erfassung, Verbreitung und Abscheidung von gasgetragenen Partikeln und Tropfen sowie die Wirkung von Filtern. Mit Simulationen analysieren sie zudem Aerosole, deren Verteilung und Abscheidung in Räumen, Filtern und auch in den menschlichen Atemwegen.
„Masken schützen“, sagt Professor Achim Dittler vom Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik (MVM) des KIT. Der Experte für Gas-Partikel-Systeme beschäftigt sich mit Filtern und ihrer Wirkungsweise. Eine an seinem Institut angefertigte Projektarbeit untersuchte schon vor Jahren verschiedene wiederverwendbare und nicht wiederverwendbare Atemschutzmasken der Klasse FFP2 auf Abscheidewirkung und Atemwiderstand. „Solche Masken schützen den Träger und – sofern sie kein Ausatemventil aufweisen – auch das Gegenüber vor Partikeln und Tröpfchen“, erklärt Dittler. Die Projektarbeit ergab, dass die Filterleistung der geprüften Masken die gültige Norm mehr als erfüllt. In der Corona-Pandemie dienen neben partikelfiltrierenden Masken der Klassen FFP2 und FFP3 auch OP-Masken sowie Community- oder Alltagsmasken aus handelsüblichen Stoffen zum Bedecken von Mund und Nase. „Jede Alltagsmaske ist besser als keine Maske“, betont Mathias J. Krause, der am KIT die Lattice Boltzmann Research Group leitet und mit Simulationen unter anderem die Ausbreitung von Aerosolen untersucht.
Obwohl OP-Masken und Alltagsmasken eher dem Fremdschutz dienen, bieten sie auch einen gewissen Eigenschutz, wenn auch in erheblich geringerem Maß als FFP2- und FFP3-Masken. Die Schutzwirkung aller Masken basiert auf der Abscheidung: Partikel treffen auf den Fasern des Filtermaterials auf und bleiben an diesem haften. Die Abscheidewirkung ist komplex und für das neuartige Coronavirus noch nicht bei allen Filtermaterialien erforscht. Sie hängt unter anderem von der Größe der Tropfen im Aerosol, in denen sich das Virus SARS-CoV-2 befindet, der Struktur des Filtermaterials sowie der Strömungsgeschwindigkeit der Luft ab. Den in der Corona-Pandemie ebenfalls verwendeten Gesichtsschilden aus Plastik stehen Dittler und Krause skeptisch gegenüber. „Solche Visiere halten nur die großen Aerosoltropfen zurück und verringern die Auswurfweite von Aerosolen aus der Ausatemluft – sie dienen sozusagen primär als Spuckschutz“, erläutert Dittler. „Aber aufgrund der Strömungsverhältnisse gelangen feine Tröpfchen durch den teils ziemlich breiten Abstand zwischen Schild und Gesicht ungehindert in die Raumluft.“
Bei Aerosolen aus Atemluft handelt es sich um ein Gemisch von unterschiedlich großen Schwebeteilchen – überwiegend Wassertropfen – und einem Gasgemisch. Diesen Schwebeteilchen kommt nach neueren Erkenntnissen eine wichtige Rolle bei der Übertragung von SARS-CoV-2 zu. Während größere Tropfen, wie Menschen sie etwa beim Husten oder Nießen ausstoßen, bald zu Boden sinken, können die kleineren Teilchen nach dem Ausatmen oder Sprechen lange in der Luft bleiben. „Diese Partikel sedimentieren kaum, sondern zirkulieren sehr lange im Raum“, erklärt Mathias J. Krause. „Vergleichen lässt sich dies mit Zigarettenrauch, der auch dann noch zu riechen ist, wenn der Raucher bei ungünstiger Strömungsrichtung ein Stück entfernt steht oder sogar den Aufenthaltsort schon verlassen hat.“
Mindestabstand ist knapp bemessen
Den zum Schutz vor einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 gemeinhin empfohlenen Abstand von 1,5 Metern halten die beiden Forscher angesichts der Anreicherung und Verteilung der Aerosole in geschlossenen Räumen unter Umständen für zu knapp bemessen. Wie lange die Viren in Aerosolen infektiös bleiben, ist allerdings noch nicht abschließend geklärt. Auf jeden Fall spielen auch die Konzentration und die Luftfeuchtigkeit eine Rolle, wie Krause erläutert: „Je höher die Konzentration, desto eher die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit dem Virus.“ Da sich Aerosole mit der Luftströmung bewegen, trägt regelmäßiges und gründliches Lüften wesentlich zum Infektionsschutz in geschlossenen Räumen bei. „Durchlüftung vermischt die Luft und verringert die lokale Virenkonzentration. Zudem gibt das Lüften den Aerosolen die Chance, nach draußen zu entweichen. Die frische Luft wiederum hat eine Verdünnungswirkung und senkt die Konzentration der Viren“, führt Mathias J. Krause weiter aus.
Dennoch bleiben Masken wichtig. Achim Dittler räumt ein, dass das Bedecken von Mund und Nase den Organismus auch belasten kann – wie stark, hängt vom Typ der Maske ab: „Der Träger muss den Strömungswiderstand vor seinem Gesicht überwinden, das heißt, das Atmen wird anstrengender. Zudem verändert sich der Strömungswiderstand mit der Tragedauer – beispielsweise durch ein Durchfeuchten der Maske. Die Masken sollten daher regelmäßig gewechselt werden. Dies ist ganz wichtig für die richtige Anwendung. Zudem müssen Masken korrekt sitzen: Sie müssen Mund und Nase vollständig bedecken und eng anliegen, damit das Filtermedium durch- und nicht umströmt wird.“ Mathias J. Krause ergänzt: „Bei unsachgemäßer Handhabung bieten Masken zudem einen Nährboden für Bakterien und Pilze. Daher gilt: Beim Tragen nicht an der Maske herumfingern, die Maske rechtzeitig wechseln und gründlich waschen.“
Professor Achim Dittler ist Mitglied der Institutsleitung am Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik (MVM) des KIT und leitet dort die Arbeitsgruppe Gas-Partikel-Systeme. Weitere Informationen zu seiner Forschung: https://www.mvm.kit.edu/Mitarbeiter_GPS_4549.php
Dr. Mathias J. Krause leitet am KIT die Lattice Boltzmann Research Group (LBRG). Weitere Informationen zu den Atmungssimulationen: https://www.humanairways.org
or, 06.07.2020