Artenvielfalt: Entscheidender Evolutionsschritt entdeckt

Umfangreiche Untersuchungen mit Röntgenstrahlen offenbaren eigentümliche Mundwerkzeuge der besonders artenreichen Erzwespen
Erzwespe
Besonders winzig und besonders artenreich: Forschende
aus Karlsruhe und Stuttgart untersuchten, warum die
parasitischen Erzwespen so vielfältige Nischen besetzen
konnten. (Foto: A. Bellersheim, SMNS) 

Mit rund 500 000 Arten sind die Erzwespen besonders vielfältig. Ungeklärt war bislang, wie ausgerechnet diese winzigen parasitischen Insekten, die in der biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden, so artenreich werden konnten. Ein Forschungsteam des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart (SMNS) hat nun ein evolutionäres Schlüsselereignis ausgemacht, das wohl die Voraussetzung für die Besetzung vielfältiger ökologischer Nischen durch die Erzwespen ist. Ihre Erkenntnisse haben die Forschenden in der Zeitschrift Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht.

Grafische Darstellung des Wespenkopfes
Der evolutionäre Schlüssel der Erzwespen liegt in
ihren flexiblen Mandibeln. Bildgebende
Röntgenstrahlung ermöglichte es, diese zerstörungsfrei
sichtbar zu machen. (Grafik: T. van de Kamp, KIT)

Um die Besonderheit der Erzwespen zu identifizieren, wurden zahlreiche Insekten aus der Sammlung des SMNS mithilfe von Röntgenstrahlen an der KIT Light Source erfasst und die gesammelten morphologischen Daten verglichen. Thomas van de Kamp vom Institut für Photonenforschung und Synchrotronstrahlung (IPS) des KIT erklärt: „Die Methode erlaubte uns eine detaillierte Darstellung des Inneren der Wespenköpfe, einschließlich ihrer Mundwerkzeuge, den Mandibeln, und der Muskulatur. Es zeigte sich, dass sämtliche Erzwespen flexibel bewegliche Mandibeln besitzen, alle anderen Wespen jedoch nicht.“ Diese Besonderheit erlaubt den Erzwespen ein Schneiden in jede mögliche Bewegungsrichtung. Wahrscheinlich ermöglichten also erst diese Präzisionswerkzeuge die Erschließung neuer, schwer zugänglicher Wirtsgruppen und damit die heutige Artenvielfalt der Erzwespen.

tsc, 27.01.2022