Dem Wetter auf der Spur: Klimaforschung in Afrika
Als Andreas Fink 1997 von einem Kollegen aus England gefragt wurde, ob er sich an einem Projekt in Afrika beteiligen möchte, zögerte er nicht lange. Die Meteorologen erforschten damals Niederschlagssysteme des westafrikanischen Monsuns. Aus diesem ersten Aufenthalt sind für den Professor am Institut für Meteorologie und Klimaforschung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) bis heute 25 Jahre Forschungserfahrung in Projekten auf dem afrikanischen Kontinent hervorgegangen.
Ein Grund für Finks Engagement ist das große Wissensdefizit über die regenbringenden Wettersysteme aufgrund der spärlichen Datengrundlage in Afrika. Für den Meteorologen ist es nicht zuletzt diese wissenschaftliche Herausforderung, die ihn zwei bis drei Mal im Jahr nach Afrika führt.
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Zum Magazin„Die Meteorologie vor Ort ist ein sehr komplexes Fachgebiet. Es gibt noch vieles zu entdecken. Wetteraufzeichnungen sind kaum vorhanden oder nicht verfügbar. Wettervorhersagen sind dort auch deswegen wesentlich ungenauer als in Mitteleuropa“, erklärt Fink. Die wichtigste meteorologische Größe auf dem Kontinent ist der Niederschlag. Dieser bringt Wasser für die Landwirtschaft und Industrie, füllt die Trinkwasserbrunnen und Stauseen. Nun sind es auch die zunehmenden Wetterextreme in Afrika, die die Forschenden beschäftigen und die Bevölkerung gefährden. Dafür, so nehmen die Meteorologinnen und Meteorologen an, ist der Klimawandel mitverantwortlich.
Forschungsergebnisse für den Hochwasserschutz
Eins der Projekte, die der Wissenschaftler vom KIT aus leitet, ist das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierte FURIFLOOD-Vorhaben. Die Forscherinnen und Forscher untersuchen hier extreme Niederschläge und Überflutungen am bevölkerungsreichen Küstenstreifen von Westafrika. „Wir gehen der Frage nach, wie viele Extremniederschläge dort in welcher Intensität in den vergangenen 100 Jahren aufgetreten und in den kommenden 70 zu erwarten sind“, berichtet Fink. „Es ist ein interdisziplinäres Projekt mit Kolleginnen und Kollegen aus der Hydrologie und den Humanwissenschaften. Wir untersuchen auch, wie verletzbar oder resilient die Menschen dort sind. Wir wollen wissen, wie sie mit dem Problem umgehen und wie sie sie informiert oder gewarnt werden.“
Die Ergebnisse sollen den betroffenen Ländern helfen, vorbeugender zu planen und es möglich machen, gezielt Dämme zu bauen und natürliche Überflutungsflächen einzurichten. Denn in den dicht besiedelten Gegenden sind unkontrollierte Siedlungen keine Seltenheit. Abschließend wollen die Forschenden den Entscheiderinnen und Entscheidern vor Ort einen Katalog der gefährdeten Gebiete vorlegen. Andreas Fink sieht das als Klimadienstleistung.
Den Regenwald mithilfe der Meteorologie bewahren
Ein weiteres in Afrika angesiedeltes Projekt des Klimawissenschaftlers befasst sich mit der Stabilität des Regenwaldes in Gabun. Das bisher weitgehend intakte Waldgebiet ist in der Trockenzeit durch eine kontinuierliche niedrige Wolkendecke vor Sonneneinstrahlung geschützt. „Die Waldforscherinnen und -forscher sagen, das diffuse Licht führe zu einem an den Lichtmangel angepassten und daher besonders artenreichen Regenwald. Sie befürchten, dass mit dem Klimawandel die Wolken in der Trockenzeit verschwinden könnten und somit der Fortbestand dieses Waldes gefährdet wird“, erklärt der Meteorologe die Ausgangslage des Projekts DYVALOCCA, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die französische Agence Nationale de la Recherche finanzieren.
Die Forschenden wollen daher verstehen, warum die Wolkendecke derzeit so langlebig ist und was zu ihrer Auflösung führt, wenngleich dies aktuell noch selten geschieht. Dabei wird das Forschungsteam vom Umweltministerium in Gabun unterstützt. Für die Bewahrung der Regenwälder möchte das Land finanzielle Hilfe im Rahmen von Klimaabkommen einwerben.
Afrikaforschung ist global relevant
Andreas Fink ist es wichtig, die Bedeutung der Afrikaforschung hervorzuheben: „Wir befinden uns im globalen Wandel, dazu gehört der Klimawandel aber auch das Bevölkerungswachstum. In Afrika leben derzeit 1,3 Milliarden Menschen, Ende des Jahrhunderts werden es über 4 Milliarden sein,¬ während die Bevölkerung anderer Kontinente kaum wächst oder sogar abnimmt. Die Bedeutung Afrikas wird also zunehmen. Der Klimawandel zeigt nach unserer Einschätzung bereits Auswirkungen, das sehen wir in afrikanischen Regionen, wo sich die Erwärmung bereits in mehr Wetterextremen manifestiert.“
Am Horn von Afrika etwa gab es im vergangenen Jahrzehnt häufig extreme Dürren. Begleitet von politischer Instabilität folgten jeweils schlimme Hungersnöte. Der Klimawandel hatte daran seinen Anteil, sind die Fachleute überzeugt. Sie erwarten zukünftig in ganz Afrika stärkere Trockenphasen, aber auch extremere Niederschläge. Dabei hat Afrika selbst nur einen ganz kleinen ursächlichen Anteil am Klimawandel. „Während hierzulande der pro Kopf-Ausstoß von CO2 bei etwa acht Tonnen im Jahr liegt, erzeugen die Menschen in Afrika nur eine Tonne“, verdeutlicht Fink.
„Unser Ziel am Institut ist es, verbesserte Wettervorhersagen und Klimaprojektionen für Afrika zu erstellen, damit wir Anpassungsstrategien entwickeln können. Uns kann nicht egal sein, was dort in den nächsten Jahrzehnten passiert. Afrika hat eine Verbindung zu uns, die nicht zuletzt aus der Kolonialzeit hervorgeht“, erklärt der Meteorologe.
Auch die zunehmende Migration haben die Forschenden im Blick. So gehören auch die Ausbildung von Afrikanerinnen und Afrikanern in Doktorandenlehrgängen oder der Aufbau von Studiengängen an afrikanischen Universitäten zu Finks Vorhaben: „Wir haben immer Kolleginnen und Kollegen aus Afrika hier an der Fakultät. Nach 25 Jahren Zusammenarbeit besteht ein gutes Netzwerk. Die Qualität der Ausbildung der afrikanischen Forschenden wird immer besser. In Ghana unterstützen wir beispielsweise seit 2010 einen Meteorologie-Studiengang mit Messgeräten und durch Mitbetreuung von Doktorarbeiten“, so Fink.
Wertvolle Erfahrungen vor Ort
Die Erfahrungen bei seiner Arbeit im Ausland will der Klimaforscher jedenfalls nicht missen: „Als Westeuropäer muss man sich an die afrikanische Kultur anpassen. Planung funktioniert dort nicht langfristig, es wird vorwiegend spontan organisiert. Etwa wenn man eine Fahrerin oder einen Fahrer oder Werkzeug braucht – es gibt dort keinen Baumarkt. Dazu kommen die Hitze und die Gefahr von Krankheiten, aber daran gewöhnt man sich.“
Neben der eigentlichen Aufgabe, Messgeräte aufzustellen, sei man mit dem Mikromanagement am Tag beschäftigt. Beispielsweise seien für das Aufstellen von Regensammlern erst Verhandlungen mit den Dorfchefs notwendig, damit es keinen Vandalismus gebe. „Wir erklären mithilfe eines Dolmetschers, welchen Nutzen die Menschen vor Ort davon haben“, berichtet Fink. Anschließend müssten Helferinnen und Helfer eingelernt und eine Umzäunung erstellt werden. Die Freundlichkeit, Zuverlässigkeit und Offenheit der Afrikanerinnen und Afrikaner habe der Meteorologe sehr zu schätzen gelernt.
Heike Marburger
01.09.2022