Die Umformbarkeit von metallischen Werkstoffen stößt in kleinsten Dimensionen an fundamentale Grenzen. Ein internationales Forscherteam hat nun eine universelle Verteilungsfunktion der bei der Verformung auftretenden Dehnungssprünge gefunden. Die Software zur Simulation des Verformungsverhaltens haben Wissenschaftler des KIT entwickelt. Diese Ergebnisse wurden im renommierten Journal „Science“ 318 (12. Oktober 2007, S. 251ff.) veröffentlicht.
Kristalline Materialien verformen sich unter Belastung plastisch. Diese irreversible Verformung ist auf kollektive Bewegungen von Gitterfehlern zurückzuführen, so genannte Versetzungen. Sie lassen sich mit winzigen Lawinen vergleichen: Die Verformung geht sprunghaft vonstatten. In den üblichen technischen Dimensionen erscheint sie homogen, aber in kleinen Dimensionen und an mikroskopischen Komponenten wirkt sich der Lawineneffekt sichtbar aus – es treten Dehnungssprünge auf. Zahlreiche Experimente, auch am Forschungszentrum Karlsruhe, bestätigen dies.
Im Rahmen der EU-geförderten internationalen Kooperation SizeDepEn (Size-Dependent Engineering) haben nun Forscher aus Karlsruhe, Budapest, Edinburgh und Rom mithilfe statistischer Analysen des Verformungsverhaltens in Experiment und Simulation eine universelle Verteilungsfunktion der Dehnungssprünge gefunden. Koordiniert wurde die Kooperation vom Institut für Zuverlässigkeit von Bauteilen und Systemen (izbs) der Universität Karlsruhe (TH).
Den Karlsruher Forschern Dr. Daniel Weygand und Dr. Christian Motz vom izbs ist es dabei erstmals gelungen, das Verhalten beim Verformen von kristallinen Metallen anhand einer diskreten Versetzungsdynamiksimulation im Rechner nachzuvollziehen. „Ähnliche Verteilungsfunktionen lassen sich beispielsweise auch zur Beschreibung von Lawinen und Erdbeben heranziehen“, erklärt Weygand.
Bei metallischen Mikrostrukturen bringen die Lawineneffekte und ihre statistische Verteilung grundlegende Probleme mit sich. So kann beispielsweise, wenn man einen sehr dünnen Draht umformt, die plastische Verformung stochastisch verteilt auftreten, wodurch das Bilden eines Rings unmöglich wird. Dies könnte künftig zur Herausforderung für die weitere Miniaturisierung von mikromechanischen Bauteilen werden.
Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist der Zusammenschluss zwischen der Universität Karlsruhe und dem Forschungszentrum Karlsruhe. Gemeinsam arbeiten hier 8000 Beschäftigte mit einem jährlichen Budget von 600 Millionen Euro. Im KIT bündeln beide Partner ihre wissenschaftlichen Fähigkeiten und Kapazitäten, richten die dafür optimalen Forschungsstrukturen ein und entwickeln gemeinsame Strategien und Visionen.
Mit KIT entsteht eine Institution international herausragender Forschung und Lehre in den Natur- und Ingenieurwissenschaften. KIT soll Attraktionspunkt für die besten Köpfe aus der ganzen Welt werden, neue Maßstäbe in Lehre und Nachwuchsförderung setzen und das führende europäische Zentrum in der Energieforschung bilden. Im Bereich der Nanowissenschaften will KIT eine weltweit führende Rolle einnehmen. Ziel von KIT ist es, einer der wichtigsten Kooperationspartner für die Wirtschaft zu sein.
Monika Landgraf, 25.10.2007
Zeitliche Abfolge einer stochastischen Simulation zum Biegen eines Drahts. Von oben links nach unten rechts nimmt der Durchmesser von 100µm auf 0,1µm ab. Die stochastische Simulation berücksichtigt die gefundene Häufigkeitsverteilung der Dehnungssprünge. Es zeigt sich, dass das Bilden eines Ringes mit abnehmendem Durchmesser durch die starke Lokalisierung der Verformung unmöglich wird.
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