Für ein Großexperiment am europäischen Forschungszentrum CERN haben Wissenschaftler ein weltweites Netz gespannt, das gewaltige Datenmengen verknüpft und rasch verfügbar macht. Ein Hauptknotenpunkt ist das Grid Computing Centre Karlsruhe (GridKa) am Steinbuch Centre for Computing (SCC), dem gemeinsamen Rechenzentrum von Forschungszentrum und Universität. Die Forscher nehmen vorweg, was einmal jeder können soll: Daten und Computerkapazitäten beziehen wie Strom aus der Steckdose oder Wasser aus dem Hahn.
An dem Experiment sind weltweit etwa 8000 Hochenergie- und Elementarteilchenphysiker beteiligt. Sie versuchen mit mächtigen Teilchenbeschleunigern den Zustand der Materie nachzubilden, der eine Milliardstel Sekunde nach dem Urknall herrschte. Die weltweit größte Anlage dieser Art, der Large Hadron Collider (LHC), ist am europäischen Forschungszentrum CERN in Genf in einem kreisförmigen Tunnel von 28 Kilometern Länge untergebracht. Im Herbst liefert sie die ersten Messdaten.
Im Beschleuniger werden Teilchen fast auf Lichtgeschwindigkeit angetrieben – die einen links, die anderen rechts herum: „Bei der Kollision zerplatzen sie“, erklärt Klaus Peter Mickel, Technisch-Wissenschaftlicher Direktor des SCC. Dabei entstehen Millionen von Teilchen, welche die Forscher am CERN mit bürohausgroßen und bis zu 12.000 Tonnen schweren Detektoren messen und deren Flugbahnen sie aufzeichnen. Dabei können pro Sekunde mehrere Gigabyte an Daten entstehen, die aufgenommen und später ausgewertet werden müssen: „Pro Jahr sind es 16 Petabyte“, rechnet Mickel vor. Ein Petabyte sind eine Billiarde Byte – diese Datenmenge entspricht etwa 1,4 Millionen CDs. Sie braucht enorme Computerkapazitäten: „Für das LHC-Experiment wurde ein Bedarf von etwa 100.000 PCs errechnet“, sagt Mickel.
GridKa ist wesentlicher Teil einer weltweit verteilten Grid-Computing-Infrastruktur zur Auswertung der LHC-Messdaten. 2002 wurde Karlsruhe zum deutschen Grid-Zentrum auserkoren – weitere Hauptknotenpunkte gibt es unter anderem in Taiwan und den USA. Ihnen sind 120 kleinere Zentren zugeordnet, diesen wiederum 1000 noch kleinere Zentren, mit denen die Arbeitsplatzrechner der 8000 beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verbunden sind. Seit vier Jahren laufen die Tests. Mittlerweile stehen im SCC über 1400 Rechner sowie Festplatten und Bänder mit jeweils einer Gesamtkapazität von vier Petabyte. 26 Personen bedienen die Anlage. Der letzte große Test glückte im Mai – „mit mehr Daten als in der Produktion real anfallen werden“, wie Mickel versichert. 18 Millionen Euro haben das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das SCC in die Hardware investiert, weitere vier Millionen pro Jahr kostet die Aktualisierung der Rechner. Die ersten Teilchen sollen im CERN nun am 10. September kollidieren. Das Experiment ist auf eine Laufzeit von mindestens 20 Jahren angelegt.
Wie groß die Bedeutung des GridKa für das Experiment am CERN ist, erläutert Professor Rolf-Dieter Heuer, der designierte Generaldirektor des CERN, am Dienstag, 9. September, im Tulla-Hörsaal (Englerstraße 11, Geb. 11.40) bei einem Vortrag in englischer Sprache unter dem Titel „The Large Hadron Collider: Shedding Light on the Dark Universe“. Die öffentliche Veranstaltung, die um 18.45 Uhr beginnt und mit einem Empfang ab 20 Uhr im Foyer des Hörsaals endet, bildet den Höhepunkt der International GridKa School on Grid Computing and e-Science vom 8. bis 12. September am SCC. Rund 125 Wissenschaftler und Studierende aus zwölf Nationen tauschen sich bei Präsentationen, Übungen und Workshops aus.
Nähere Informationen zur Elementarteilchenphysik, zu GridKa und zum LHC, zur Großforschung und zur Wissenschaftspolitik erhalten Vertreterinnen und Vertreter von Medien bei einem Pressegespräch am Dienstag, 9. September, 17.30 Uhr, im Raum 231 des Hörsaalgebäudes (Englerstraße 11, Geb. 11.40). Ihren Fragen stellen sich Professor Peter Mättig, Vorsitzender des Komitees für Elementarteilchenphysik, Klaus Peter Mickel, Professor Eberhard Umbach, KIT-Vorstand, Dr. Beatrix Vierkorn-Rudolph vom BMBF, Mitglied des CERN Council, und Professor Heuer.
Im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) schließen sich das Forschungszentrum Karlsruhe in der Helmholtz-Gemeinschaft und die Universität Karlsruhe zusammen. Damit wird eine Einrichtung international herausragender Forschung und Lehre in den Natur- und Ingenieurwissenschaften aufgebaut. Im KIT arbeiten insgesamt 8000 Beschäftigte mit einem jährlichen Budget von 700 Millionen Euro. Das KIT baut auf das Wissensdreieck Forschung – Lehre – Innovation.
Die Karlsruher Einrichtung ist ein führendes europäisches Energieforschungszentrum und spielt in den Nanowissenschaften eine weltweit sichtbare Rolle. KIT setzt neue Maßstäbe in der Lehre und Nachwuchsförderung und zieht Spitzenwissenschaftler aus aller Welt an. Zudem ist das KIT ein führender Innovationspartner für die Wirtschaft.
ele, 28.08.2008