Immer wieder wird auch Mitteleuropa von schweren Unwettern heimgesucht. Die Orkane Lothar und Kyrill forderten 1999 und 2007 viele Todesopfer und verursachten Schäden in Milliardenhöhe, beim Elbehochwasser 2002 mussten ganze Dörfer evakuiert werden. Eine bessere Vorhersage solcher Wettersituationen könnte die Öffentlichkeit frühzeitig warnen und die Dramatik des Geschehens reduzieren. Daran arbeitet PANDOWAE (Predictability ANd Dynamics Of Weather Systems in the Atlantic-European Sector), eine Forschergruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
„Präzisere numerische Wettervorhersagen können die Bedrohung der Menschen durch extreme Wetterereignisse abmildern“, sagt Sprecherin Professorin Sarah C. Jones vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung am Karlsruhe Institute of Technology (KIT). Dazu wollen die Forscherinnen und Forscher der Universitäten Karlsruhe, Mainz und Rostock sowie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen beitragen. Sie versuchen die Prozesse, die für extreme Wettersituationen verantwortlich sind, und die Faktoren, die deren Vorhersagbarkeit erschweren, besser zu verstehen. „Begreifen, wodurch Fehler entstehen – das ist unser Ziel“, erklärt Jones. Ihre Erkenntnisse wollen sie in eine Verbesserung der Vorhersagemodelle einfließen lassen. Ihr Ansatz sei global, so die Sprecherin: „Was unser Wetter beeinflusst, kann auch im Pazifik entstehen“. Den Forschern ist freilich klar, dass ein weltweites Datennetz immer Lücken hat – umso intensiver arbeiten sie an einem adaptiven Vorhersagesystem: Sie wollen prognostizieren können, wo mit welchen Methoden genauer gemessen werden muss, um exaktere Vorhersagen zu erzielen.
Die Forscher nehmen Wettersysteme in den Blick, die schwere Schäden verursachen können: europäische Sturmtiefs, Mittelmeerzyklonen, starke Gewitter mit Hagel und Sturm sowie tropische Wirbelstürme, die sich in außertropische Tiefdruckgebiete umwandeln. Beispiele sind der Wintersturm Kyrill, das Elbehochwasser oder auch Sturmfluten an der Nord- und Ostsee. „Diese Ereignisse sind bisher durch die numerische Wettervorhersage oft nur unzureichend erfasst worden“, sagt Professor Volkmar Wirth vom Institut für Physik der Atmosphäre an der Universität Mainz – zum Teil reichten Daten nicht aus, zum Teil stellten Modelle die Daten nicht exakt genug dar. Um das zu ändern, werden die Forscher auf drei Gebieten aktiv: Sie untersuchen Rossby-Wellenzüge – Störungen in der Starkwindzone in etwa zehn Kilometer Höhe, die zu markanten Wettersituationen führen können. Ferner beleuchten sie Prozesse, die bei der Phasenänderung von Wasser – vor allem der Verdunstung und Kondensation – ablaufen und die Entstehung von Unwettern stark beeinflussen. Und sie optimieren Ensemblevorhersagen, bei denen sie viele Prognosen mit verschiedenen Anfangs- und Randbedingungen zusammenfassen: „So wollen wir Fehler und Lücken in den Daten ausgleichen und die Treffsicherheit der Vorhersage erhöhen“, erklärt Dr. George Craig vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Oberpfaffenhofen. Ihre Erkenntnisse wollen sie für Vorhersagezentren wie den Deutschen Wetterdienst (DWD) nutzbar machen, mit dem sie eng kooperieren.
Das Vorhaben PANDOWAE ist auf sechs Jahre angelegt. Zur Gruppe gehören Forscherinnen und Forscher des KIT, der Universität Mainz, des DLR Oberpfaffenhofen und des Leibniz Instituts für Atmosphärenphysik (IAP) an der Universität Rostock, außerdem kooperiert sie eng mit der Universität Leeds und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. In der Gruppe beschäftigen sich die KIT-Wissenschaftler unter der Leitung von Professorin Jones und Professor Christoph Kottmeier mit dem Einfluss von tropischen Wirbelstürmen auf das europäische Wetter und mit Mittelmeerzyklonen. Die Mainzer Professoren Wirth und Heini Wernli wollen den Zusammenhang von Rossby-Wellenzügen und der Wärmezufuhr aufgrund der Kondensation von Wasserdampf mit der Entwicklung von Extremwetterereignissen herausfinden. Die IAP-Wissenschaftler um Dr. Dieter Peters untersuchen die Beziehung zwischen brechenden großräumigen Wellen und Stürmen. Und beim DLR forschen unter anderem Craig und Dr. Martin Weissmann an der Vorhersageverbesserung durch gezielte Beobachtungen und Ensembles. In den ersten drei Jahren stehen der Forschergruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) pro Jahr circa 500.000 Euro zur Verfügung.
PANDOWAE ist Teil des Forschungsprogramms THORPEX der Weltorganisation für Meteorologie (WMO). So trug die Gruppe 2008 zur Planung und Realisierung einer internationalen Messkampagne bei, welche die Verbesserung der Taifunvorhersage im Pazifik zum Ziel hatte. THORPEX will die Wettervorhersage von einem Tag bis zu zwei Wochen vor einem Ereignis optimieren – „im Zeitraum von einem bis drei Tagen sind die genaue Struktur und das Timing, danach die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses wichtig“, sagt Jones.
Neben der Forschung zählt die Förderung von Nachwuchswissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen zu den zentralen Anliegen von PANDOWAE. So tauschen sich junge Forscher bei Sommerschulen untereinander und mit erfahrenen Wissenschaftlern aus. Dabei kooperiert PANDOWAE mit dem Karlsruhe House of Young Scientists (KHYS).
Im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) schließen sich das Forschungszentrum Karlsruhe in der Helmholtz-Gemeinschaft und die Universität Karlsruhe zusammen. Damit wird eine Einrichtung international herausragender Forschung und Lehre in den Natur- und Ingenieurwissenschaften aufgebaut. Im KIT arbeiten insgesamt 8000 Beschäftigte mit einem jährlichen Budget von 700 Millionen Euro. Das KIT baut auf das Wissensdreieck Forschung – Lehre – Innovation.
Die Karlsruher Einrichtung ist ein führendes europäisches Energieforschungszentrum und spielt in den Nanowissenschaften eine weltweit sichtbare Rolle. KIT setzt neue Maßstäbe in der Lehre und Nachwuchsförderung und zieht Spitzenwissenschaftler aus aller Welt an. Zudem ist das KIT ein führender Innovationspartner für die Wirtschaft.
Nähere Informationen: PANDOWAE