Presseinformation 107/2010

Energieszenarien als Entscheidungsgrundlage

Wissenschaftler des KIT untersuchen Zuverlässigkeit und Hintergründe von Prognosen
Die Zukunft der Energieversorgung im Blick: Studien am KITuntersuchen die  Konsequenzen verschiedener Wege. (Foto: photocase)
Die Zukunft der Energieversorgung im Blick: Studien am KITuntersuchen die Konsequenzen verschiedener Wege. (Foto: photocase)

Eine sichere Entscheidung setzt Wissen über die Konsequenzen der verschiedenen Optionen voraus. So ist die Energie- und Klimapolitik auf fundierte wissenschaftliche Prognosen angewiesen. Eine neue Forschergruppe am KIT unter Leitung von Juniorprofessor Gregor Betz untersucht die Zuverlässigkeit solcher Energiezukünfte. Wie Energieszenarien entstehen und welche Annahmen ihnen zugrunde liegen, erforscht Christian Dieckhoff in einem Promotionsprojekt.
 
Wissenschaftliche Szenarien zur zukünftigen Energieversorgung bilden eine der Grundlagen des kürzlich vorgestellten Energiekonzepts der Bundesregierung. Auch andere weitreichende politische und wirtschaftliche Entscheidungen beruhen wesentlich auf Energieszenarien und -prognosen. Angesichts der Bedeutung dieser Instrumente in der Politikberatung stellt sich die Frage, wie zuverlässig sich Energiezukünfte grundsätzlich vorhersagen lassen. Diesem Thema widmet sich die neue Shared Research Group (SRG) „Limits and Objectivity of Scientific Foreknowledge: The Case of Energy Outlooks“ (LOBSTER). http://srg-lobster.philosophie.kit.edu/
 
Die SRG ist am Institut für Philosophie sowie am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT angesiedelt. Sie betrachtet Energieszenarien zum einen aus wissenschaftstheoretischer und methodologischer Perspektive, zum anderen aus der Sicht von Entscheidungsträgern. Als Basis dienen deutsche und internationale Szenarien, vor allem Energie- und Klimaszenarien des Weltklimarats (IPCC).
 
So untersuchen die Wissenschaftler, wie sich langfristige Energieprognosen überhaupt begründen lassen und welchen Status die entsprechenden Energiezukünfte besitzen – handelt es sich um wahrscheinlich eintreffende Prognosen oder um bloß mögliche Szenarien? „Es geht unter anderem darum, die in Energiezukünften inbegriffenen Unsicherheiten zu charakterisieren und zu quantifizieren“, erklärt der Leiter der SRG, Gregor Betz. „Ziel ist, den betreffenden Wissenschaftlern einen konzeptionellen Rahmen dafür bereitzustellen, wie sie den Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit diese Unsicherheiten kommunizieren können.“ Daneben befasst sich die Forschergruppe mit Problemen in Entscheidungssituationen. „Im Zentrum steht die Frage, wie Verantwortungsträger in Situationen extremer Unsicherheit überhaupt noch rational entscheiden können“, erläutert Betz.
 
Die theoretischen Prämissen und den praktischen wissenschaftlichen Kontext von Energiezukünften erforscht Christian Dieckhoff am ITAS in seinem Dissertationsprojekt „Empirische Untersuchung der Entstehungsprozesse von Energieszenarien“. Dieckhoff geht davon aus, dass Szenarien zur Energieversorgung nicht nur Ergebnisse von Modellrechnungen darstellen, sondern auch von verschiedenen Bedingungen der wissenschaftlichen Praxis geprägt sind. Dazu gehören die Tätigkeiten der beteiligten Wissenschaftler selbst, die Forschungspraxis der Institute sowie die Rolle der Auftraggeber. Die Arbeit befasst sich auch mit Annahmen und Überzeugungen, die den praktischen Bedingungen zugrunde liegen.
 
Christian Dieckhoff befragt Forscher von verschiedenen Instituten zu ihrem Verständnis von Modellen und Szenarien und rekonstruiert ihr Vorgehen beim Erstellen von Energiezukünften. In Interviews mit beauftragenden Institutionen ermittelt er deren Überzeugungen und Erwartungen an die Geltung der Szenarien. „Das Beratungsverhältnis zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber bildet ebenfalls einen wichtigen Faktor“, erklärt Dieckhoff. Ein Ziel des Projekts ist, auch Außenstehenden ein besseres Verständnis der Hintergründe von Energieszenarien zu erschließen und damit zur gesellschaftlichen Verständigung über die Zukunft der Energieversorgung beizutragen.


In der Energieforschung ist das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) eine der europaweit führenden Einrichtungen: Das KIT-Zentrum Energie vereint grundlegende und angewandte Forschung zu allen relevanten Energieformen für Industrie, Haushalt, Dienstleistungen und Mobilität. In die ganzheitliche Betrachtung des Energiekreislaufs sind Umwandlungsprozesse und Energieeffizienz mit einbezogen. Das KIT-Zentrum Energie verbindet exzellente technik- und naturwissenschaftliche Kompetenzen mit wirtschafts-, geistes- und sozialwissenschaftlichem sowie rechtswissenschaftlichem Fachwissen. Die Arbeit des KIT-Zentrums Energie gliedert sich in sieben Topics: Energieumwandlung, erneuerbare Energien, Energiespeicherung und Energieverteilung, effiziente Energienutzung, Fusionstechnologie, Kernenergie und Sicherheit sowie Energiesystemanalyse.

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

or, 24.09.2010
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