Wie lassen sich Daten schneller und zugleich energieeffizienter übertragen? Damit befasst sich eine Forschergruppe zur Terabitkommunikation unter Leitung von Professor Christian Koos am Institut für Photonik und Quantenelektronik (IPQ) des KIT. An einem neuen Verfahren, hochdichte Peptidarrays – kleinste „Datenträger“ mit Aminosäuren – für die Immunologie und Arzneimittelentwicklung herzustellen, arbeitet PD Dr. Alexander Nesterov-Müller vom Institut für Mikrostrukturtechnik (IMT). Beide Wissenschaftler haben nun je einen der begehrten ERC Starting Grants eingeworben.
Sie erhalten für ihre Projekte eine Förderung von je rund 1,5 Millionen Euro, verteilt auf fünf Jahre. Mit dem Starting Independent Researcher Grant fördert der Europäische Forschungsrat (ERC – European Research Council) über das spezifische Programm „Ideen“ im 7. EU-Forschungsrahmenprogramm bahnbrechende Projekte von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern. Der Starting Grant 2011 ist die vierte Ausschreibung. Bereits 2009 und 2010 hatte mit der Physikerin Dr. Regina Hoffmann und dem Klimaforscher Dr. Matthias Schneider je ein KIT-Wissenschaftler den begehrten Grant eingeworben. 2011 gingen insgesamt 4080 Anträge ein; rund 450 Projekte können in dieser Runde gefördert werden.
Der weltweite Datenverkehr wächst unaufhörlich – und benötigt immer mehr Energie. Im Jahr 2007 war die Informations- und Kommunikationstechnik bereits für rund zehn Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland verantwortlich, ein erheblicher Teil davon wurde für die Datenübertragung in Rechenzentren, Zugangs- und Weitverkehrsnetzen aufgewendet. Die Datenübertragung schneller und zugleich energieeffizienter zu machen, ist Ziel der Forschergruppe „Energieeffiziente Terabitkommunikation“, die Professor Christian Koos mit den ERC-Fördermitteln am IPQ aufbaut.
Mithilfe von neuen Übertragungstechniken, optischen Frequenzkämmen und nanophotonischen Bauteilen soll die Übertragungsrate in Datennetzen von derzeit 100 Gigabit pro Sekunde um einen Faktor 100 auf über 10 Terabit pro Sekunde steigen. „Das entspricht etwa einer Milliarde Telefongespräche“, erklärt Professor Koos. Dazu werden optische Frequenzkämme genutzt, die aus einem regelmäßigen Muster von Frequenzlinien bestehen. Man kann Frequenzkämme beispielsweise als optisches Lineal verwenden, um die Frequenz von elektromagnetischer Strahlung höchst präzise zu messen. In der Kombination mit nanophotonischen Bauteilen, die eine hohe Zahl von Nanostrukturen auf einem winzigen Siliziumchip vereinen, ermöglichen optische Frequenzkämme die energieeffiziente Verarbeitung von Datenströmen mit hohen Übertragungsraten auf kleinstem Raum.
An einem neuen Verfahren, hochdichte Peptidarrays mithilfe von Laserstrahlung herzustellen, arbeitet PD Dr. Alexander Nesterov-Müller am Institut für Mikrostrukturtechnik (IMT) des KIT in seinem ERC-geförderten Projekt. Peptide sind Ketten von Aminosäuren, die sich mit der neuen Methode auf verschiedenen Oberflächen wie Glasobjektträger oder Siliziumscheiben synthetisieren lassen. Solche Peptidarrays werden in den Lebenswissenschaften eingesetzt, wo immer eine spezifische Bindung mit Peptiden relevant ist. Das betrifft vor allem das Erforschen der Proteine und ihrer Wechselwirkungen in Zellen und Lebewesen (Proteomforschung), die Immunologie, aber auch die Diagnostik und die Entwicklung von Arzneimittelwirkstoffen. „Hochdichte Peptidarrays dienen unter anderem dazu, Antigen-Antikörper-Wechselwirkungen zu erforschen. Damit rückt beispielsweise das vollständige Auslesen der im menschlichen Immunsystem abgelegten Informationen in den Bereich des Möglichen“, erläutert Nesterov-Müller.
Bei dem in enger Kooperation mit PD Dr. Frank Breitling entwickelten neuen Verfahren werden die Aminosäuren, aus denen die Peptide aufgebaut sind, nicht in einer Lösung, sondern durch definiertes Anschmelzen von festen Partikeln mithilfe von Laserstrahlung punktgenau aufgebracht. So wird die Herstellung hochdichter Peptidarrays mit bis zu einer Million Peptiden pro Quadratzentimeter möglich. Parallel dazu arbeitet Dr. Alexander Nesterov daran, molekulare Suchmaschinen zu realisieren, mit denen sich Moleküle mit gewünschten Materialeigenschaften möglichst effizient auf Basis der hochdichten Arrays entwickeln lassen. Eine derartige molekulare Suchmaschine ließe sich in verschiedenen Bereichen der Lebenswissenschaften und der Materialwissenschaften einsetzen, beispielsweise bei der Entwicklung von Biokatalysatoren.
Professor Christian Koos hat seit 2010 den Lehrstuhl für Photonische Kommunikationstechnik am Institut für Photonik und Quantenelektronik (IPQ) des KIT inne. Er studierte Elektrotechnik an der Universität Karlsruhe (TH), erwarb 2002 sein Diplom und schloss 2007 seine Promotion ab. Von 2007 bis 2008 war er als Postdoktorand am IPQ tätig und leistete wegweisende Forschung zu nanophotonischen Silicon-Organic Hybrid (SOH) Bauteilen. Von 2008 bis 2010 leitete er die Technologieradare für Nanotechnologie und Messtechnik in der Konzernforschung der Carl Zeiss AG. Heute forscht Christian Koos vor allem auf den Gebieten der Nanophotonik sowie der optischen Datenübertragung und Messtechnik.
PD Dr. Alexander Nesterov-Müller ist seit 2010 am Institut für Mikrostrukturtechnik (IMT) und als Dozent an der Fakultät für Maschinenbau des KIT tätig. Er studierte von 1992 bis 1998 Physik an der Lomonosow-Universität Moskau. Von 1998 bis 2000 arbeitete er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institute on Laser and Information Technologies Moskau/Schatura, 2001 war er am Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung in Dresden tätig. Von 2002 bis 2003 war er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik Berlin beschäftigt. 2003 bis 2010 forschte er in der Arbeitsgruppe „Chip-Based Peptide Libraries“ am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. An der Universität Heidelberg promovierte er 2006 und habilitierte 2008. Aktuell forscht Dr. Alexander Nesterov-Müller vor allem auf dem Gebiet der Herstellung und Weiterentwicklung von partikel-basierten hochdichten molekularen Arrays und deren Anwendung für evolutionäre Suchmaschinen.
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.