Mit „Lernen – Forschen – Anwenden: Studieren für Einsteiger“ setzt das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ein Lehrkonzept um, das von Anfang an auf große Praxisnähe und die intensive Beteiligung der Studierenden setzt: In „Living Labs“ setzen sich die Studierenden sowohl mit aktuellen Forschungsthemen als auch mit industriellen Trends auseinander. Ziel ist dabei auch, die Studienmotivation zu fördern und Abbruchquoten zu senken. Das Land Baden-Württemberg fördert das Konzept in den kommenden drei Jahren mit knapp 300.000 Euro.
„Das Lehrkonzept integriert die drei Teilbereiche Studium, Wissenschaft und Praxis“, sagt Professor Andreas Oberweis vom Institut für Angewandte Informatik und Formale Beschreibungsverfahren (AIFB), welches das Projekt als erstes umsetzt. „So können wir die Studierenden motivieren, sie erweitern ihre Kompetenzen und sind in der Lage, ihr Studium erfolgreich abzuschließen.“
Laut einer Untersuchung der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) nennt ein Drittel der Studienabbrecher Leistungsprobleme als Motiv. Viele von ihnen glauben, wegen der hohen Leistungsanforderungen den Einstieg ins Studium verpasst zu haben. Für knapp 20 Prozent ist die fehlende oder verlorene Motivation, etwa weil das gewählte Studium die Erwartungen nicht erfüllt, Grund für den Abbruch. „Deshalb ist es enorm wichtig, Studierenden die beruflichen Einsatzmöglichkeiten ihres theoretischen Wissens aufzuzeigen und Begeisterung für ihr Fach zu wecken“, so Oberweis. Wesentliche Elemente des Lehrkonzeptes sind daher das Aufzeigen der Praxisrelevanz theoretischer Inhalte, forschungsorientiertes Lernen und die Bearbeitung aktueller Themen in Teams.
Das AIFB erweitert für die neue Lehrveranstaltung ein Konzept, das sich in eintägigen Forschungslaboren (Living Labs) zum Management von Geschäftsprozessen (Business Process Management, BPM) bewährt hat: Die Studierenden übernehmen zunächst typische Rollen in diesem Arbeitsbereich und erstellen beispielsweise vollständige Geschäftsprozesse eines fiktiven Unternehmens und verbessern dessen interne Abläufe. Erst danach folgt die klassische Lernphase, in der Wissenschaftler die theoretischen Hintergründe vermitteln und die Studierenden sich so weit in das Thema einarbeiten, dass sie mit ihrem Wissen auch relevante Forschungsfragen identifizieren und Lösungsansätze erarbeiten können. „Sehr gute Erfahrungen haben wir dabei mit Web-2.0-Technologien wie Blogs, Wikis und Sozialen Netzwerken gemacht, die in einer Cloud-Infrastruktur vereint sind“, sagt Andreas Oberweis. „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vernetzen sich, teilen ihr Wissen miteinander und lösten die Problemstellung kollaborativ und effektiv.“ Evaluationen der Veranstaltung zeigten, dass Studierende diese Form des Wissenserwerbs als motivierend, innovativ und praxisnah empfinden.
Befragungen vor und nach der Veranstaltung sollen zeigen, wie das Lehrkonzept die Motivation der Studierenden und ihre Erwartungen an ihr Studium beeinflusst. Die Ergebnisse dienen dann auch der Weiterentwicklung des Angebots. Im ersten Jahr der Projektlaufzeit wird zudem ein Konzept zur Umsetzung solcher Labore in weiteren Instituten der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften erarbeitet. Anschließend wird ein Leitfaden zum Angebot der Labore entwickelt, der disziplinunabhängig am KIT eingesetzt werden kann. Langfristig wird zudem eine Plattform entstehen, über die Institute Erfahrungen austauschen, gemeinsam Veranstaltungen planen und anbieten können. Schülerinnen und Schüler könnte die Plattform, etwa über Webcasts, Einblick in unterschiedliche Studiengänge und Forschungsthemen ermöglichen. Über Blogs und Foren sollen sich Schülerinnen und Schüler, Studierende und betreuende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des KIT austauschen können.
Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg fördert das Projekt im Programm „Willkommen in der Wissenschaft“ aus dem Innovations- und Qualitätsfonds. Ziel des Programms ist es, die Studierenden insbesondere in der Studieneingangsphase mit innovativen Angeboten für ihr Fach zu begeistern.
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.