Brücken bei laufendem Verkehr innerhalb eines Tages zu überprüfen, ermöglicht das neue Verfahren ResoBridge: Es misst bei extern vorgespannten Betonbrücken die Schwingungen in den Spannseilen. Der am Karlsruher Institut für Technologie entwickelte Test hilft, den Zustand von Infrastruktur engmaschig zu überwachen und fällige Sanierungen frühzeitig abzuschätzen. Er könnte künftig auch zur Überprüfung von Schrägseilbrücken, seilabgespannten Konstruktionen und Hybridtürmen bei Windkraftanlagen dienen.
Im deutschen Straßennetz gibt es fast 40 000 Brücken. Sie müssen enormen Belastungen standhalten; besonders der wachsende Schwerlastverkehr setzt ihnen zu. Um die Sicherheit der Brücken zu gewährleisten, sind regelmäßige Inspektionen erforderlich. Mit visuellen Methoden lassen sich Schäden allerdings erst dann feststellen, wenn sie bereits relativ weit fortgeschritten sind. Andere Verfahren, wie Ultraschall, Radiographie oder magnetinduktive Prüfung, sind zeit- und kostenaufwendig; zudem müssen die Brücken teilweise für den Verkehr gesperrt werden.
Das von Lothar Stempniewski und Steffen Siegel am Institut für Massivbau und Baustofftechnologie (IMB) des KIT entwickelte Verfahren ResoBridge stellt eine kostengünstige und zuverlässige Alternative dar. Die patentierte Methode eignet sich für Betonbrücken mit externen, das heißt nicht in den Beton eingegossenen Spanngliedern. Bei diesen Brücken befindet sich unterhalb der Fahrbahn ein Hohlkasten aus Beton. In diesem Kasten verlaufen dicke Stahlseile, die der Brücke Stabilität verleihen. Solche extern vorgespannten Betonbrücken sind in Deutschland weit verbreitet.
Im hohlen Inneren der Betonbrücken verlaufen die zu untersuchenden Spannseile. (Foto: S. Siegel/KIT)
Bei ResoBridge misst ein Beschleunigungs-Sensor die Eigen-Schwingungen in den Spannseilen. Die Werte werden mit Ergebnissen früherer Messungen verglichen. „Eine abnehmende Frequenz weist darauf hin, dass die Spannung des Seils nachlässt. Deutliche Veränderungen lassen auf Schäden an den Drähten oder Litzen schließen“, erklärt Steffen Siegel vom IMB. Das Verfahren erfasst die Frequenzspektren mit einer Genauigkeit von bis zu 0,01 Hertz. Um Veränderungen zu erkennen, bedarf es der Erfassung eines Ausgangswerts als Vergleichsgrundlage. Die KIT-Forscher haben an der Entwicklung eines Messgeräts mitgearbeitet, das alle erfassten Werte speichert und Frequenzveränderungen zeigt.
Das Gerät ist einfach zu bedienen; die Erfassung der Messwerte einschließlich Montage und Demontage des Sensors dauert nur wenige Minuten pro Messstelle. So lässt sich eine Brücke innerhalb eines Tages überprüfen – ohne sie für den Verkehr zu sperren. ResoBridge ermöglicht daher enorme Zeit- und Kostenersparnisse. Alle Brückendaten werden an zentraler Stelle erfasst. Das Verfahren ermöglicht es auch, verschiedene Spannglieder und verschiedene Brücken miteinander zu vergleichen. Derzeit entwickeln die Wissenschaftler am KIT die Methode für die Anwendung an weiteren Bauwerkstypen weiter. So könnte sie künftig auch zur Überprüfung von Schrägseilbrücken, seilabgespannten Konstruktionen und Hybridtürmen bei Windkraftanlagen eingesetzt werden.
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.