Presseinformation 045/2014

Kämme aus Licht beschleunigen Kommunikation

Forscher setzen optische Frequenzkammquellen auf einem Silizium-Chip zur Datenübertragung im Terabit-Bereich ein
Optischer Mikroresonator aus Silizium-Nitrid: Darin entstehen aus Laserlicht die Spektrallinien des Frequenzkammes (Bild: KIT/ J. Pfeifle)
Optischer Mikroresonator aus Silizium-Nitrid: Darin entstehen aus Laserlicht die Spektrallinien des Frequenzkammes (Bild: KIT/ J. Pfeifle)

Datenraten von einigen Terabit pro Sekunde über Hunderte Kilometer ermöglichen nun miniaturisierte optische Frequenzkammquellen. Wie die Hochgeschwindigkeitskommunikation mit kohärenten Übertragungsverfahren funktioniert, zeigen Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Schweizer École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) in einer Studie in der Zeitschrift „Nature Photonics“. Ihre Ergebnisse können dazu beitragen, die Datenübertragung in großen Rechenzentren und weltweiten Kommunikationsnetzen zu beschleunigen. (DOI: 10.1038/NPHOTON.2014.57.)

 

Die Menge der weltweit erzeugten und übertragenen Daten wächst stetig. Mithilfe von Licht lassen sich Daten schnell und effizient übertragen. Die optische Kommunikation nutzt Glasfasern, durch die optische Signale weite Entfernungen praktisch verlustfrei überbrücken können. Sogenannte Wellenlängen-Multiplexverfahren ermöglichen es dabei, auf einem Lichtwellenleiter mehrere Datenkanäle unabhängig voneinander zu übertragen und damit extrem hohe Datenraten zu erreichen. Dazu wird die Information auf Laserlicht unterschiedlicher Wellenlängen, das heißt verschiedener Farben, kodiert. Allerdings ist die Skalierbarkeit solcher Systeme begrenzt, da derzeit für jeden Übertragungskanal ein eigener Laser benötigt wird. Zudem ist es schwierig, die Wellenlängen dieser Laser zu stabilisieren, sodass zusätzliche Sicherheitsabstände zwischen den Datenkanälen eingeplant werden müssen, um gegenseitige Störungen zu vermeiden.

 

In der nun in „Nature Photonics“ vorgestellten Studie setzten Wissenschaftler des KIT gemeinsam mit Kollegen der EPFL einen miniaturisierten Frequenzkamm als optische Quelle ein. Sie erreichen dabei einen Datenstrom von 1,44 Terabit pro Sekunde, der über eine Entfernung von 300 Kilometern übertragen wird – das entspricht dem Datenaufkommen von mehr als 100 Millionen Telefongesprächen. Die Studie zeigt erstmals, dass sich miniaturisierte optische Frequenzkammquellen zur kohärenten Datenübertragung im Terabit-Bereich eignen.

 

Optische Frequenzkämme, für deren Erforschung John Hall und Theodor W. Hänsch 2005 den Physik-Nobelpreis erhielten, bestehen aus tausenden von dicht benachbarten Spektrallinien, deren Abstände genau gleich und genau bekannt sind. Eingesetzt werden Frequenzkämme bis jetzt hauptsächlich für hochgenaue optische Atom-Uhren oder als optisches Lineal, um Frequenzen hochpräzise zu messen. Für den massenhaften Einsatz in der Datenübertragung waren bisherige Frequenzkammquellen allerdings nicht geeignet, da sie zu groß und zu teuer waren, und da der Abstand der Linien in konventionellen Frequenzkämmen oftmals zu gering ist und nicht dem in der Telekommunikation verwendeten Kanalabstand von typischerweise mehr als 20 GHz entspricht.

 

In ihrer gemeinsamen Studie haben die Forscher des KIT und der EPFL nun gezeigt, dass sich integriert-optische Frequenzkammquellen mit großen Linienabständen auf nanophotonischen Chips realisieren und zur Übertragung großer Datenmengen einsetzen lassen. Dazu nutzen sie einen optischen Mikroresonator aus Silizium-Nitrid, in den Laserlicht über einen Nanowellenleiter eingekoppelt und sehr lange gespeichert wird. „Aufgrund der hohen Lichtintensität im Resonator entstehen dabei über den sogenannten Kerr-Effekt aus einem einzigen Laserstrahl viele Spektrallinien, die zusammengenommen einen Frequenzkamm ergeben“, erklärt Jörg Pfeifle, der das Übertragungsexperiment am KIT durchgeführt hat. Diese Methode zur Erzeugung von sogenannten Kerr-Frequenzkämmen wurde im Jahr 2007 von Tobias Kippenberg von EFPL entdeckt. Kerr-Kämme zeichnen sich durch große optische Bandbreite aus und erlauben es, Linienabstände zu realisieren, die den Anforderungen der Datenübertragung entsprechen. Die notwendigen Mikroresonatoren werden mit aufwendigen Nanofabrikationsmethoden im Zentrum für Mikro-Nanotechnologie der EPFL hergestellt. „Wir gehören weltweit zu den wenigen universitären Forschungsgruppen, die solche Proben überhaupt herstellen können“, kommentiert Kippenberg. Finanziert wurden die Arbeiten mit Mitteln des Schweizer Programms „NCCR Nanotera“ sowie der Europäischen Weltraumagentur ESA.

 

Die Karlsruher Forscher vom Institut für Photonik und Quantenelektronik (IPQ) und vom Institut für Mikrostrukturtechnik (IMT) setzen einen solchen Kerr-Frequenzkamm nun erstmalig zur Hochgeschwindigkeitsdatenübertragung ein. „Der Einsatz von Kerr-Kämmen könnte vor allem die Kommunikation innerhalb von Datenzentren revolutionieren, da besonders dort kompakte Übertragungssysteme mit hoher Kapazität benötigt werden“, sagt Christian Koos, der die Arbeiten im Rahmen eines vom Europäischen Forschungsrat (ERC – European Research Council) finanzierten Starting Independent Researcher Grants koordiniert. „Wir stehen dabei erst am Anfang – im gegenwärtigen Experiment nutzen wir lediglich 20 Linien des Frequenzkamms. Das lässt sich noch weiter steigern; neue Experimente sind bereits geplant.“ Die Arbeiten werden durch die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung unterstützt.

 

Joerg Pfeifle, Victor Brasch, Matthias Lauermann, Yimin Yu, Daniel Wegner, Tobias Herr, Klaus Hartinger, Philipp Schindler, Jingshi Li, David Hillerkuss, Rene Schmogrow, Claudius Weimann, Ronald Holzwarth, Wolfgang Freude, Juerg Leuthold, Tobias J. Kippenberg, Christian Koos: Coherent terabit communications with microresonator Kerr frequency combs. Nature Photonics (2014). DOI: 10.1038/NPHOTON.2014.57.

 

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

or, 14.04.2014
Kontakt:

 

Christian Könemann
Pressesprecher
Tel: +49 721 608-41105
Fax: +49 721 608-43658
christian koenemann does-not-exist.kit edu

Kontakt für diese Presseinformation:

Kosta Schinarakis
Pressereferent
Tel.: +49 721 608-21165
Fax: +49 721 608-43658
E-Mail:schinarakis does-not-exist.kit edu
Das Foto kann in der höchsten uns vorliegenden Qualität angefordert werden unter:
presse does-not-exist.kit edu oder +49 721 608-41105.

Die Presseinformation steht auch als PDF-Datei zur Verfügung.