Die Flüchtlingszahlen steigen bundesweit. Integration als Teil einer nachhaltigen Stadtentwicklung spielt daher eine immer wichtigere Rolle. Damit sich Asylsuchende in Karlsruhe mobiler und aktiver bewegen und interkulturell austauschen können, verleiht und repariert die Initiative „Bikes Without Borders“ kostenlos Fahrräder. Für ihr Konzept erhält sie nun den Ideenpreis „Im|Puls Oststadt“. Das Stadtentwicklungsprojekt „Quartier Zukunft – Labor Stadt“ des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) lobt damit spürbare Impulse für ein nachhaltiges Stadtleben aus.
„Die Idee eines Fahrradverleihs für Flüchtlinge mit offener Werkstatt hat uns überzeugt, weil sie viele verschiedene Themen und Aspekte von Nachhaltigkeit zusammenbringt und geschickt miteinander kombiniert“, sagt Dr. Oliver Parodi, der das Stadtentwicklungsprojekt „Quartier Zukunft – Labor Stadt“ am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT leitet. Der Ansatz unterstütze nicht nur interkulturelle Begegnung und gegenseitiges Lernen, sondern auch das Fahrradfahren als gesundheitsfördernde und umweltfreundliche Mobilitätsform. Alte Fahrräder wieder herzurichten, sei zudem ressourcenschonend.
Positiv wirkte sich auch der lokale Bezug zu der Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge (LEA) auf die Bewertung aus. „Das Projekt Fahrradverleih und Werkstatt bringt verschiedene Akteure aus dem Stadtraum zusammen und hat das Potential, sich zu einem Treffpunkt für Karlsruher und Flüchtlinge zu entwickeln“, so Alexandra Quint, die den Ideenpreis „Impuls|Oststadt“ als wissenschaftliche Mitarbeiterin am ITAS mit ausgelobte. Dieses Jahr erwartet LEA rund 18.000 Flüchtlinge. Sie bleiben gewöhnlich vier bis sechs Wochen in Karlsruhe und prägen das Leben im Projektgebiet Oststadt.
„Die Menschen, die zu uns kommen, sind aus ihrer Heimat geflüchtet und besitzen oft nicht viel mehr als die Kleider am Leib“, sagt Tobias Fleiter, der die Initiative „Bikes Without Borders“ des Freundeskreis‘ Asyl Karlsruhe gemeinsam mit Tobias Boßmann vor zwei Jahren gründete. LEA bietet den Flüchtlingen Verpflegung und ein Dach über dem Kopf. „Bikes Without Borders“ möchte ihnen helfen, in der Stadt mobil und aktiv zu sein: Behördengänge oder Einkäufe ließen sich mit dem Fahrrad viel leichter erledigen. Die Nachfrage nach Leihrädern sei daher groß und die Flüchtlinge gingen sehr behutsam mit ihnen um. Gemeinsames Reparieren helfe zudem dabei, Kontakte zu knüpfen und kulturelle Hürden zu überwinden. Was noch fehlt, ist eine Werkstatt, um alte Räder wieder fahrtüchtig zu machen. Repariert wird derzeit nur im Freien, sofern es noch hell ist, nicht stürmt oder regnet. Im Winter bleibt der Fahrradverleih bislang geschlossen.
Mit dem Ideenpreis „Im|Puls Oststadt“ soll sich das innerhalb des nächsten Jahres ändern. KIT-Wissenschaftler, Studierende und der Freundeskreis Asyl Karlsruhe wollen gemeinsam auf dem Gelände des Menschenrechtszentrums, dem gemeinnützigen Dachverband der Karlsruher Initiativen für Menschenrechte, eine Fahrradwerkstatt errichten. Sie soll den Flüchtlingen aber auch allen Karlsruher Bürgerinnen und Bürgern offen stehen. Architektur-Studierende des KIT haben bereits erste Entwurfspläne erstellt. Das Preisgeld von 2.000 Euro steht somit hauptsächlich für die Materialbeschaffung zur Verfügung.
Insgesamt waren zwölf weitere Bewerbungen für den Preis eingegangen. Die Projektvorschläge reichten von einem offenen Gemeinschaftsgarten über einen Abendmarkt für regionale Produkte bis hin zur Anmietung und gemeinschaftlichen, nicht kommerziellen Gestaltung von Werbeflächen. „Wir waren positiv überrascht über die vielen kreativen Ideen der Bürgerinnen und Bürger und möchten diese im Verlauf unseres Projekts gerne aufgreifen“, sagt Parodi.
„Quartier Zukunft – Labor Stadt“
Ziel des Projekts am ITAS ist es, den Stadtteil Oststadt sozial, ökologisch, ökonomisch und kulturell Richtung Nachhaltigkeit weiterzuentwickeln und dabei gleichzeitig, disziplinübergreifend zu beforschen. Gemeinsam mit Bevölkerung, Stadtverwaltung, Politik, Wirtschaft, Kulturschaffenden und weiteren Akteuren der Stadtgesellschaft probieren die Wissenschaftler alte und neue Ideen sowie gesellschaftliche und technische Innovationen aus.
Reallabor
Im Rahmen des Projekts „Quartier Zukunft“ ist auch der Antrag auf das „Reallabor 131“ des KIT entstanden. Dieser hat sich nun als einer von zehn für die Endrunde im Förderprogramm „Stärkung des Beitrags der Wissenschaft für eine nachhaltige Entwicklung“ des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg qualifiziert. Anspruch des Reallabors ist es, gesellschaftliche Veränderungsprozesse wissenschaftlich zu begleiten, problemorientiert Wissen zu generieren und die gesellschaftlichen Akteure von Beginn an einzubeziehen – was auch den Wissenschaftsprozess verändert und neue Vernetzungs- und Kooperationsstrukturen schafft.
Nähere Informationen zum Förderprogramm
http://mwk.baden-wuerttemberg.de/hochschulen/wissenschaft-fuer-nachhaltigkeit/
Kommende Aktionen des „Quartiers Zukunft“
Diskurs interaktiv | Zukunft Urbane Mobilität
Donnerstag, 5. Juni 2014, 18 bis 20 Uhr
alina café (Alter Schlachthof 39, 76131 Karlsruhe)
Wie bewegen wir uns in Zukunft? Welche Rolle spielen Auto, Fahrrad, öffentlicher Personennahverkehr und Zufußgehen dabei? Ist eine Balance zwischen Verkehr, Stadtraum und urbanem Leben möglich? Wissenschaftliche Experten und Engagierte aus der Region tauschen sich in einer unterhaltsamen Runde aus.
http://quartierzukunft.de/diskurs-interaktiv-zukunft-urbane-mobilitaet
Auf Reisen | ReparaturCafé in Karlsruhe
Samstag, 12. Juli 2014, ab 12 Uhr
Jubez (Kronenstraße 1, 76133 Karlsruhe)
Auch beim dritten ReparaturCafé können Bürgerinnen und Bürger einen aktiven Beitrag zur Ressourcenschonung und gegen das Wegwerfen gebrauchsfähiger Gegenstände leisten: Hier können sie beschädigte Haushaltsgegenstände wie Kleinmöbel, Fahrräder und Radios selbst reparieren oder sich dabei beraten lassen. Das ReparaturCafé macht diesmal Halt in der Karlsruher Innenstadt.
http://quartierzukunft.de/drittes-reparaturcafe/
Nachhaltigkeitstage Baden-Württemberg
11./12. Juli 2014
Das „Quartier Zukunft“ beteiligt sich mit verschiedenen Aktionen in der Oststadt und am KIT. Dazu gehören Mitmachaktionen, die den öffentlichen Raum beleben und den Alltag entschleunigen sollen.
Aktuelle Informationen zu Veranstaltungen und Aktionen unter:
http://quartierzukunft.de/neuigkeiten/
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.