Ob Möbel, Kleidung oder Kugelschreiber – als Massenprodukte werden Industriegüter besonders kostengünstig hergestellt. Künftig könnten sich auch kleine Auflagen individualisierter Produkte schnell und effizient fertigen lassen: durch intelligente Fertigungsmaschinen, die miteinander kommunizieren. Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) koordinieren das EU-Forschungsprojekt SkillPro, dessen innovative Lösungen unter anderem die Umrüstzeiten im Produktionsprozess deutlich reduzieren.
Von Auftrag zu Auftrag muss für jedes neue Produkt, das gefertigt werden soll, zumeist auch der Produktionsprozess umgestellt werden. Beim Herstellen in kleiner Stückzahl dauert das Vorbereiten, Einrichten und Programmieren des Maschinenparks häufig wesentlich länger als die eigentliche Fertigung. „Von Maschinen, die mit zusätzlicher Intelligenz ausgestattet sind und miteinander kommunizieren, erwarten wir eine deutliche Reduktion der Umrüstzeit“, sagt Diplom-Ingenieur Thomas Maier, Geschäftsführer des Instituts für Informationsmanagement im Ingenieurwesen (IMI) am KIT. So könne eine mit Kamera-Sensoren ausgestattete Maschine auch bei wechselnden Produkten das jeweilige Werkstück optisch erkennen und nach Prüfung von Form und Lage entscheiden, wie sie in diesem Fall ihren Greifarm oder ihre Saugnäpfe einsetzt und wo sie das Stück ablegt. Die mit unterschiedlichen Fähigkeiten wie die zum Greifen, Schweißen oder Kleben ausgestatteten Maschinen erkennen je nach Produkt ihre eigene Aufgabe sowie den nächsten Produktionsschritt. Sie „reden“ mit Nachbarmaschinen und wissen, ob sie zum Beispiel einen fahrenden Roboter anfordern müssen, der das Produkt zur nächsten Arbeitsstation oder in die Versandabteilung der Firma transportiert.
Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sollen von dem intelligenten Produktionssystem profitieren. Es ermöglicht, Nischenprodukte, die in Gestalt oder Passform variieren, kostengünstig zu produzieren. „Die Firmen können individualisierte Massenproduktion anbieten und flexibel auf Nachfrageschwankungen reagieren“, so Maier. Die Möglichkeit, die Produktion kleiner Stückzahlen schneller abzuwickeln, sei ein Mittel die europäische Industrieproduktion zu stärken.
In dem „Plug & Produce“ – „Einstecken und Produzieren“ – genannten Verfahren stellen sich die Maschinen im Verbund eigenständig auf das jeweils zu fertigende Produkt ein. Zu dem Lösungskonzept tragen vor allem Neuentwicklungen der Informatik bei. Bereits bevor die eigentliche Produktion startet, kann mit Hilfe einer speziell entwickelten Software errechnet werden, in welcher Montagelinie die Aufträge am effizientesten ausgeführt werden. „Zusätzliche Maschinen oder technische Fähigkeiten lassen sich mit geringem Aufwand in einen vorhandenen Maschinenpark einfügen, da sie dem System mitteilen, welchen Part im Produktionsprozess sie übernehmen“, erläutert Maier. Für das Management sind sowohl die simulierte Produktionsabfolge in der Planungsphase als auch der reale Fertigungsprozess als virtuelle Darstellung der Anlage auf dem Bildschirm sichtbar.
Roboter und Werkzeuge, die sich untereinander verständigen und innerhalb kurzer Zeit wandelbare Fabrikstrukturen bilden können, sind wesentliche Elemente der „smarten“ Fabrik. In den Werkshallen der „Industrie 4.0“ verschmelzen Fertigungstechnik und Informationstechnologie. Bei SkillPro kooperieren Informatiker, Elektrotechniker, Wirtschaftsingenieure und Maschinenbauer.
Von Seiten des KIT sind das Institut für Informationsmanagement im Ingenieurwesen sowie das Institut für Anthropomatik und Robotik (IAR) mit seinem Forschungslabor Intelligente Prozessautomation und Robotik (IPR) beteiligt. „Die bestehenden Plug & Produce-Ansätze sollen dadurch verbessert werden, dass das Wissen um die Fähigkeiten – oder „Skills“ – neuer Geräte und ihrer Auswirkung auf die Gesamtheit eines Produktionssystems in Hinblick auf Arbeitsabläufe und ökonomische Aspekte berücksichtigt werden“, so SkillPro-Koordinator Professor Björn Hein, der am IPR forscht. Neben dem KIT, dem Fraunhofer Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung und dem FZI Forschungszentrum Informatik gehören dem SkillPro-Konsortium Industriepartner aus Frankreich, Griechenland, Spanien, Estland, Finnland und Deutschland an. Die Europäische Union (EU) fördert das 2012 begonnene Forschungsprojekt mit 3,8 Millionen Euro. Die Förderphase der EU für SkillPro läuft bis September 2015. „Die Zwischenbewertung zur Halbzeit des Forschungsprojekts hat die Funktionalität des Ansatzes bestätigt“, sagt Thomas Maier.
Digitale Pressemappe zum Wissenschaftsjahr 2014
Ob in der Kommunikation, der Energieversorgung oder der Mobilität, in der Industrie, im Gesundheitsbereich oder in der Freizeit: Digitale Technologien sind längst Teil unseres Alltags, sie eröffnen neue Möglichkeiten und bieten Lösungen für gesellschaftliche Probleme. Gleichzeitig stellen sie uns vor Herausforderungen. Chancen und Risiken stehen im Mittelpunkt des Wissenschaftsjahres 2014 – Die Digitale Gesellschaft. Am KIT beschäftigen sich Forscherinnen und Forscher aller Disziplinen mit den vielfältigen – technischen und gesellschaftlichen – Aspekten der Digitalisierung. Kurzporträts, Presseinformationen und Videos dazu bietet die digitale Pressemappe des KIT zum Wissenschaftsjahr:
http://www.pkm.kit.edu/digitalegesellschaft
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.