Presseinformation 084/2014

Post ohne Briefträger

Studie „Postdienste und moderne Informations- und Kommunikationstechnologien“ zur Entwicklung des Briefmarkts / Vier von zehn Personen verschicken keine Papier-Briefe mehr
Mit dem Rückgang des klassischen Briefverkehrs werden Postdienstleister ihre Geschäftsstrategie anpassen müssen. (Foto: Laila Tkotz, KIT)
Mit dem Rückgang des klassischen Briefverkehrs werden Postdienstleister ihre Geschäftsstrategie anpassen müssen. (Foto: Laila Tkotz, KIT)

In Deutschland wird immer weniger klassische Post verschickt. E-Mails und elektronische Mitteilungen ersetzen vermehrt herkömmliche Geschäftsschreiben, Steuererklärungen erreichen das Finanzamt online und vor allem private Briefe landen immer seltener im Briefkasten. Postunternehmen könnten auf diese Marktveränderung reagieren, indem sie ihre Stärke als Logistiker und Service-Dienstleister ausbauen, so die Untersuchung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).

 

Die neuen Kommunikationsmöglichkeiten des Internets werden von vielen Menschen intensiv genutzt. Dies hat einen starken Einfluss auf die Menge und Art der Briefkommunikation. Für Grußkarten, Einladungen, Bestellungen und Rechnungen gibt es elektronischen Ersatz durch E-Mail, SMS oder Web-Formulare von Behörden und Unternehmen. „Der Anteil der von Privatkunden verschickten Sendungen ist gering und hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich abgenommen“, so der Soziologe Ulrich Riehm, Projektleiter der Studie des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB), das vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT betrieben wird. Vier von zehn Personen in Deutschland verschicken überhaupt keine Papier-Briefe mehr, ergab eine repräsentative Bevölkerungsbefragung durch das TAB. „Bis 2020 ist ein Rückgang des Briefaufkommens zwischen 13 und 29 Prozent zu erwarten“, so Riehm.

 

Postunternehmen könnten auf diese Entwicklung reagieren, indem sie ihre Geschäftsstrategien anpassen und dabei an ihren Stärken ansetzen, heißt es in dem Bericht. Dazu gehörten ihre besonderen Kompetenzen in der Logistik sowie ein über Jahrhunderte erworbenes – und durch das Briefgeheimnis gesetzlich verankertes – Renommee als Übermittler vertraulicher Nachrichten. Hinzu kämen umfassende Kundenkontakte in alle Bereiche der Gesellschaft und die breite Erfahrung mit informationstechnischen Systemen.

 

Hybride Briefmodelle, die den herkömmlichen Brief mit dem elektronischen verknüpfen, würden ebenfalls in eine solche Strategie passen, stellt die Untersuchung fest. Postunternehmen böten schon jetzt sichere E-Brief-Portale und komplexe E-Brief-Lösungen für Unternehmens- und Privatkunden an.

 

Als Spezialisten für Beförderung könnten Postunternehmen neben Briefen und Paketen künftig auch Medikamente, Bücher, Behördenformulare und Lebensmittel ins Haus bringen. Eine solche Ausweitung der Dienste verfolgt bereits die französische Post. „Postboten“ wären als Kontaktpersonen für kranke und ältere Menschen denkbar, die notfalls weitere Hilfen vermitteln. Da ein Rückgang der Briefsendungen mit einem Beschäftigungsabbau einhergehe, bedeutete ein Erweitern des Service-Spektrums zugleich neue Perspektiven für die Mitarbeiter von Postunternehmen.

 

Den Bundestag als Auftraggeber der Studie interessiert in erster Linie, wie die flächendeckende, allen Bürgern in gleicher und ausreichender Qualität zustehende Postdienstleistung – der gesetzlich garantierte „Postuniversaldienst“ – bei einem sinkenden Briefaufkommen aufrecht erhalten werden kann. Riehm spricht sich für eine Neukonzeption des Postuniversaldienstes aus, welche die Wahlfreiheit zwischen herkömmlichem und elektronischem Brief gewährleistet. „Würde diese Wahlfreiheit garantiert, bestünde keine Gefahr, dass Bevölkerungsgruppen aus der Briefkommunikation ausgeschlossen werden, weil sie zum Beispiel nicht über einen Internetzugang verfügen“, sagt der Soziologe. Da für Deutschland eher eine kontinuierliche Absenkung der Briefmengen erwartet wird und nicht wie in einigen anderen Ländern ein dramatischer Einbruch, bleibe Zeit, notwendige Anpassungen gründlich vorzubereiten und gemeinsam mit Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit zu diskutieren.

 

Der TAB-Arbeitsbericht Postdienste und moderne Informations- und Kommunikationstechnologien findet sich als Zusammenfassung im Internet:
www.tab-beim-bundestag.de/de/publikationen/berichte/ab156.html

 

Zur Studie liegt eine Buch-Publikation vor: Ulrich Riehm/Knud Böhle, Post ohne Briefträger, Sinkende Briefmengen und elektronische Postdienste als Herausforderungen für die Politik, Reihe Studien des Büros für Technikfolgen-Abschätzung, Bd. 39, Edition Sigma, Berlin 2014, ISBN 9783836081399

 

Digitale Pressemappe zum Wissenschaftsjahr 2014

Ob in der Kommunikation, der Energieversorgung oder der Mobilität, in der Industrie, im Gesundheitsbereich oder in der Freizeit: Digitale Technologien sind längst Teil unseres Alltags, sie eröffnen neue Möglichkeiten und bieten Lösungen für gesellschaftliche Probleme. Gleichzeitig stellen sie uns vor Herausforderungen. Chancen und Risiken stehen im Mittelpunkt des Wissenschaftsjahres 2014 – Die Digitale Gesellschaft. Am KIT beschäftigen sich Forscherinnen und Forscher aller Disziplinen mit den vielfältigen – technischen und gesellschaftlichen – Aspekten der Digitalisierung. Kurzporträts, Presseinformationen und Videos dazu bietet die digitale Pressemappe des KIT zum Wissenschaftsjahr.

 

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

afr, 18.06.2014
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