Presseinformation 154/2014

Studie plädiert für freies “Super-WiFi“

Nutzung neuer Frequenzbereiche kann kostenlosen Netzzugang über große Entfernungen ermöglichen und Mobilfunknetze entlasten / Schub an innovativen Anwendungen erwartet
Drahtlose Kommunikation und digitaler Medienkonsum unterwegs könnten von frei zugänglichen Übertragungsfrequenzen im UHF-Bereich profitieren. (Bild: KIT)
Drahtlose Kommunikation und digitaler Medienkonsum unterwegs könnten von frei zugänglichen Übertragungsfrequenzen im UHF-Bereich profitieren. (Bild: KIT)

Der Bedarf an drahtlosem Datentransfer wird in den kommenden Jahren deutlich steigen. Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) schlagen deshalb vor, bestimmte frei werdende TV-Frequenzen als Allgemeingut für die Ausdehnung bestehender Drahtlosnetzwerke (WiFi) statt für den Mobilfunk zu nutzen. Ihre nun im internationalen Fachblatt „Telecommunications Policy“ veröffentlichte Studie empfiehlt, die zusätzlichen Frequenzen nicht kommerziell zu vermarkten, sondern der Bevölkerung und den Unternehmen kostenlos zur Verfügung zu stellen. (doi 10.1016/j.telpol.2014.05.003)

 


Über WLAN-Netzwerke wie WiFi wird bereits heute ein großer Teil des drahtlosen Datenverkehrs abgewickelt. Allerdings sind sie aktuell auf hohe Frequenzbereiche im Bereich von 2 GHz und darüber beschränkt und haben daher eine begrenzte Reichweite. Die Autoren der Studie, Arnd Weber vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT und Jens Elsner, früher Mitarbeiter des Communications Engineering Lab des KIT, schlagen vor, die Frequenzen für freie Kommunikation auch auf niedrigere Bereiche und sogar mit höherer Leistung zu erweitern. Diese Bänder werden immer weniger für die Übertragung von TV-Signalen genutzt und können Hindernisse wie Mauern besonders gut passieren. Bestehende WLAN-Netzwerke könnten so – mit automatischer Anpassung der Sendeleistung, um Störungen zu vermeiden – je nach der Beschaffenheit der Umgebung sogar Kommunikationspartner in einer Entfernung von mehreren Kilometern erreichen. Selbst in Städten, wo aufgrund vieler Sendestationen mit begrenzter Sendeleistung gearbeitet werden müsste, könnte die Reichweite drahtloser Netzwerke deutlich ausgedehnt werden, um sie beispielsweise Passanten in umliegenden Straßenzügen für den Datentransfer ihrer Smartphones zur Verfügung zu stellen.

 

„Die Realisierung unseres Ansatzes hätte weitreichende Folgen. Personen, Institutionen und Unternehmen wären bei ihrer digitalen Kommunikation in viel geringerem Maße auf teure Mobilfunknetze angewiesen. Darin sehen wir nicht zuletzt auch einen großen gesamtwirtschaftlichen Nutzen”, so Arnd Weber. Schon die Öffnung der bisherigen WLAN-Frequenzen im letzten Jahrhundert hat gezeigt, dass Anwender und Unternehmen die neuen Möglichkeiten innovativ für neue Produkte nutzen, neben den drahtlosen Computernetzwerken etwa auch kabellose Lautsprecherboxen und Kameras, Garagenfernbedienungen, Funketiketten, Babyphones, Bluetooth, u.v.m. .

 

Nötig sei jedoch eine breite, weltweite Debatte des Ansatzes, denn Regierungen könnten die Frequenzen auch für die Vergrößerung der Reichweite staatlicher Fernsehkanäle nutzen oder sie teuer an Mobilfunkanbieter versteigern. Arnd Weber und Jens Elsner schlagen deshalb vor, ihren Ansatz in der World Radiocommunication Conference (WRC) zu diskutieren. Diese von den Vereinten Nationen initiierte Konferenz tagt nächstes Jahr wieder und entscheidet auf globaler Ebene über die Nutzung von Radiofrequenzen.

 

Studie widerspricht gängiger Wirtschaftstheorie
Entsprechend des systemanalytischen Ansatzes des ITAS kombiniert die Studie technische, soziale und ökonomische Perspektiven. Ihre Schlussfolgerung, niedrige Frequenzbereiche als Allgemeingut kostenlos zur Verfügung zu stellen, widerspricht einer gängigen Wirtschaftstheorie, die etwa der 2013 verstorbene Ökonom und Nobelpreisträger Ronald Coase vertrat: Um begrenzte Ressourcen wie Funkfrequenzen optimal zu nutzen, sollten Nutzungsrechte definiert und am Markt veräußert werden. Der Wettbewerbsökonom und Politikberater Martin Cave spricht sich dafür aus, der Allgemeinheit nur die hohen GHz-Bereiche zu öffnen, wo keine Gefahr einer Überlastung besteht. Elsner und Weber zeigen in ihrer aktuellen Studie jedoch, wie diese Überlastungen technisch vermieden werden können, und halten entgegen, dass nicht nur aus individueller, sondern auch aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive der kostengünstigste Ansatz für elektronische Kommunikation einer intensiven Vermarktung vorzuziehen ist. Sie schlagen konkret vor, ein 90-MHz-Intervall auf UHF-Bändern zu reservieren. Neben der mobilen Kommunikation für jedermann könnten auch Anwendungen wie die Veranstaltungstechnik davon profitieren, etwa für Bühnenmikrophone und –kameras, die digital senden, statt wie bislang Nischen des Fernsehspektrums analog zu nutzen. Aber auch eine Anwendung für Rettungskräfte im Katastrophenfall ist denkbar.

 

Der Autor Jens Elsner arbeitet mittlerweile für die Munich Innovation Group. Arnd Weber forscht am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT. Er ist Mitglied der International Telecommunications Society. Ihre Studie basiert auf der Arbeit des am KIT aus Mitteln der Exzellenzinitiative durchgeführten Start-up-Projekts “Nutzer-Netze“.

 

Originalveröffentlichung:
Jens Elsner, Arnd Weber, Beachfront commons (deutscher Titel etwa “Gemeingut mit Meerblick”), Telecommunications Policy, Volume 38, Issues 8–9, Pages 709-714,
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S030859611400086X 

 

 

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kes, 17.11.2014
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