Nervenkitzel gehört dazu - wer auf Online-Auktions-Plattformen um den Zuschlag zittert, spürt die Aufregung im Bietergefecht um das Objekt der Begierde. Das Herz schlägt schneller, die Hände werden feucht. Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zeigen mit Hilfe physiologischer Messmethoden den Einfluss von Emotionen auf das Verhalten von Nutzern elektronischer Märkte. Das Fachmagazin Journal of Retailing berichtet nun in seiner Septemberausgabe über die Ergebnisse der Studie am KIT. DOI:10.1016/j.jretai.2015.01.003
Internet-Auktionen spielen mittlerweile eine wichtige Rolle im Online-Handel. Ob Heckenschere oder antike Taschenuhr - anders als beim Kauf per Click zum Festpreis vermitteln Online-Auktionen die Atmosphäre eines Wettbewerbs um das Versteigerungsobjekt. Wer die Konkurrenz realer Mitbieter wahrnimmt, etwa durch Avatare oder Fotos auf dem Bildschirm, möchte länger im Rennen bleiben - und erhöht sein Gebot. Dies ergab eine Studie des KIT mit mehr als 450 Probanden.
Dass Online-Auktionen Einkaufen mit Unterhaltung, Spaß und Spannung verbinden, macht den Reiz dieser Handelsform aus und gilt als Grund ihres Erfolgs. Der Kampf gegen die ablaufende Zeit bis zum festgelegten Auktionsende reicht alleine jedoch nicht aus, um das Auktionsfieber so stark anzufachen, dass ein Bieter sein Gebot erhöht. „In Laborexperimenten hat sich gezeigt, dass Zeitdruck zwar für größere Aufregung und Herzklopfen sorgt, risikofreudiger wird ein Bieter aber erst dann, wenn er merkt, dass er mit anderen, realen Mitbewerbern konkurriert“, sagt der Informationswirt Marius Müller vom Institut für Informationswirtschaft und Marketing (IISM) des KIT. Der Doktorand beschäftigt sich am IISM, Lehrstuhl Professor Christof Weinhardt, mit dem Nutzerverhalten in elektronischen Märkten. In der Studie wurde das Entscheidungsverhalten während Online-Auktionen unter anderem anhand von Messungen der Herzfrequenz und des Hautleitwerts untersucht. Die Auswertung der physiologischen Daten ermöglicht es, die Erregung der Bieter objektiv zu bewerten und ergänzt deren eigene, subjektive Einschätzung.
„Entscheidungen werden nicht, wie in der Theorie angenommen, nur von einem rationalen homo oeconomicus getroffen, sondern auch von Emotionen geleitet“, sagt Müller. Im Fokus der experimentellen Wirtschaftsforschung am KIT stehen deshalb auch Gefühle wie Freude und Enttäuschung, die anhand physiologischer Parameter betrachtet werden. „Die Verhaltensökonomie schlägt eine Brücke zwischen Beobachtung und Theorie“, erläutert der Wissenschaftler. Die Erkenntnisse über die Rolle der Bieter-Emotionen könnten Händler nutzen, um ihren Kunden durch die Gestaltung eines Auktionsportals attraktive Einkaufserlebnisse zu offerieren und höhere Einnahmen zu erzielen. Auktions-Teilnehmern machen sie den Einfluss ihrer Emotionen auf die Entscheidung zu bieten bewusst.
Am KIT steht mit dem Karlsruher Decision and Design Lab (KD2Lab) ein Labor zur Verfügung, das es ermöglicht, die emotionalen Zustände von Probanden in Entscheidungssituationen zu untersuchen. Das derzeit mit zwölf Plätzen ausgestattete Labor wird in Kürze ausgebaut, so dass künftig bis zu 40 Teilnehmer interagieren können, während ihre physiologischen Daten erhoben werden. „Es wird eines der größten Labore seiner Art in Europa sein“, so Müller.
Die Ergebnisse der Studie werden unter dem Titel 'Auction Fever! How Time Pressure and Social Competition Affect Bidders’ Arousal and Bids in Retail Auctions’ in der Septemberausgabe des Journal of Retailing vorgestellt. Autoren sind neben Marius Müller die beiden an der Studie des KIT beteiligten Wissenschaftler Professor Jan Krämer, der inzwischen einen Lehrstuhl an der Universität Passau innehat, und der mittlerweile an der University of Newcastle in Australien lehrende Marc Adam.
Adam, Marc T.P., et al, Auction Fever! How Time Pressure and Social Competition Affect Bidders’ Arousal and Bids in Retail Auctions, Journal of Retailing. DOI:10.1016/j.jretai.2015.01.003
http://www.sciencedirect.com/science/journal/00224359
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