Was tun, wenn zwei sportliche Gegner, Bewerber um einen Job oder Produkte einfach „gleich gut“ sind? Von der Strategie, wie man Pattsituationen löst und den Maximaleinsatz festlegt, hängt ab, ob sich der Wettbewerb verschärft oder nicht. So sorgt etwa beim Tennis der „Tie-Break“ häufig für Spannung. In anderen Sportarten wird das Patt zugunsten des vermeintlich Schwächeren gelöst: Beim Gewichtheben etwa wird der leichtere Athlet zum Sieger gekürt. Dass es inner- und außerhalb des Sports oft förderlich für den Wettstreit ist, bei Gleichstand den vermeintlich schwächeren Konkurrenten gewinnen zu lassen, haben Wirtschaftswissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in einer Studie zu All-Pay-Auktionen herausgefunden.
„Hierbei handelt es sich nicht um eine marginale Stellschraube“, betont Professorin Nora Szech, Inhaberin des Lehrstuhls für Politische Ökonomie (ECON) am KIT. „Je nachdem, wie man mit einer Pattsituation umgeht, kann dies enorme Auswirkungen haben“. Zum Beispiel bei Bewerbungen. In Deutschland bekommen bei gleicher Eignung Mitglieder benachteiligter gesellschaftlicher Gruppen, zum Beispiel Frauen oder Menschen mit Handicap, die ausgeschriebene Stelle. „Das ist nicht nur politisch korrekt, sondern führt auch zu positiven Anreizen für alle Bewerber“, sagt die Expertin.
Dahinter stecke der Gedanke, dass vermeintlich Schwächere in der Regel eine größere Leistung erbringen müssen, um das gleiche Ziel zu erreichen. „Wenn Frauen glauben, dass sie eine echte Chance haben, steigern sie ihren Einsatz. Im Gegenzug werden sich aber auch Männer als vermeintlich stärkere Bewerber mehr anstrengen.“
„Wir debattieren viel darüber, wie man Diversität fördern kann. Mit unserer Studie können wir transparent machen, wie sich bestimmte Instrumente auswirken“, erläutert Szech. Mit Hilfe des Nash-Gleichgewichts, einer mathematischen Methode aus der Spieltheorie, analysierte die Wissenschaftlerin verschiedene Regeln für „Tie-Breaks“ (dt. etwa „Lösungsregeln für Pattsituationen“) und „Bid-Caps“, (dt. „Bietschranken“), in All-Pay-Auktionen. In einer All-Pay-Auktion müssen alle investieren, die mitmachen, aber am Ende profitiert nur einer: Nur für den Gewinner zahlt sich der Einsatz aus. Mit Tie-Breaks und Bid-Caps lässt sich das Wettbewerbsverhalten steuern. Setzt man beispielsweise die Bietschranke niedrig an, dämpft dies den „Kampfgeist“: Während die finanziell Schwächeren wissen, dass sie mithalten können, halten sich die Stärkeren zurück, weil sie die maximale Einsatzgrenze mühelos erreichen. Szechs Auswertung zeigt unter anderem, dass in Patt-Situationen die symmetrische Lösung, also „fifty-fifty“, meist nicht die beste ist. Legt man stattdessen als Tie-Break-Regel fest, dass zum Beispiel der Kapitalschwächere den Zuschlag erhält, stärkt dies den Wettbewerb: Der Schwächere erhält eine echte Chance, der Stärkere ernsthafte Konkurrenz – mit dem Ergebnis, dass beide sich mehr „ins Zeug“ legen. Genau dieses Prinzip findet sich auch in anderen, eben zum Beispiel beruflichen oder sportlichen, Wettbewerben.
Eine empirische Studie, die Szech gemeinsam mit britischen und US-amerikanischen Ökonomen durchgeführt hat und bei der 240 Probanden in unterschiedlichen Wettbewerbssituationen mit All-Pay Charakter gegeneinander angetreten sind, bestätigt den Befund: Bid Caps und Tie-Breaking-Regeln können drastische Effekte auf den Wettbewerb ausüben. „Unsere Forschungsergebnisse spiegeln sich in allen möglichen realen Situationen wider“, so Szech. Ein Beispiel sei die Auswärtstorregel für K.o.-Spiele in der Champions League: Diese Regel sieht vor, dass Auswärtstore stärker gewichtet werden, wenn nach dem Hin- und Rückspiel Torgleichstand herrscht. Sie begünstigt damit die jeweilige Gastmannschaft, die in einem fremden Stadion weniger Unterstützung erhält und damit in der vermeintlich schwächeren Rolle ist. Ein weiteres Anwendungsgebiet sei der Lobbyismus in den USA, wo immer wieder über die Einführung von Höchstgrenzen („Bid-Caps“) für das finanzielle Engagement verschiedener Lobbygruppen diskutiert werde, hier um den Wettstreit um politischen Einfluss zu drosseln. Solche Caps können gelingen, wenn Caps und Tie-Breaks richtig gewählt werden. „Ein Tie-Break – hier zugunsten der stärkeren Lobbygruppe – verringert typischerweise den Einsatz auf beiden Seiten: bei den Schwächeren, weil sie ohnehin nicht mithalten können, bei den Stärkeren, weil sie dies wissen und dann weniger Lobbyarbeit aufwenden“, so Szech.
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Die theoretische Studie „Tie-breaks and bid-caps in all-pay auctions“ ist jetzt in der Zeitschrift „Games and Economic Behavior“ erschienen und wurde mit dem Reinhard-Selten-Preis des Vereins für Socialpolitik ausgezeichnet. Die empirische Folgestudie wurde in Kooperation mit den Ökonomen Aniol Llorente-Saguer (Queen Mary University of London, UK) und Roman Sheremeta (Weatherhead School of Management, Cleveland, USA) durchgeführt.
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