Der KIT-Senat hat sich in seiner heutigen Sitzung mit der Ehrensenatorwürde von Dr. Rudolf Greifeld befasst und distanzierte sich gegenüber der damaligen Ehrung an den früheren kaufmännischen Geschäftsführer (1956-1984) des ehemaligen Kernforschungszentrums Karlsruhe. „Nach dem heutigen Kenntnisstand und auf der Basis ethischer Bewertungen würde die Ehrung von Dr. Greifeld nicht mehr erfolgen. Der KIT-Senat bedauert die damalige Ehrung“, so der Beschluss in der heutigen Senatssitzung.
Rudolf Greifeld wurde im Jahr 1969 die Ehrensenatorwürde der damaligen Universität Karlsruhe verliehen. Im September 2012 gab es Hinweise auf eine mögliche NS-Vergangenheit von Greifeld. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe haben das Präsidium des KIT und der KIT-Senat die Ethikkommission des KIT beauftragt, den Sachverhalt umfassend zu prüfen. Ab Juni 2013 erarbeitete ein externer Experte, der Historiker Professor Bernd-A. Rusinek (Forschungszentrum Jülich), mittels intensiver Literatur- und Archivrecherchen und Befragung von Zeitzeugen ein umfangreiches Gutachten zum Fall Greifeld, in dem die Vorwürfe umfassend geprüft wurden. Das Gutachten liegt seit Herbst dieses Jahres der Ethikkommission des KIT vor, die sich mehrfach mit der Angelegenheit befasst hat. Das Präsidium des KIT und der KIT-Senat sind den Empfehlungen der Ethikkommission nun gefolgt.
So stand dem Gutachten zufolge Rudolf Greifeld 1940/41 vollkommen auf der Linie der NS-Ideologie und hat während seiner Tätigkeit beim Kriegsverwaltungsrat im Verwaltungsstab des Militärbefehlshabers Paris den sog. „Nachtlokalvermerk“ verfasst. Damit hat Greifeld nicht nur indirekt, sondern auch direkt, in dem er zu schärferen Maßnahmen gegen die Juden in Paris aufforderte, an der antisemitischen Politik teilgehabt. Daher distanzierte sich der KIT-Senat in seinem heutigen Beschluss ausdrücklich von der Ehrung Rudolf Greifelds. Wie den Unterlagen zur Ehrung im Jahr 1969 zu entnehmen ist, hat sich der damalige Senat bei seiner Entscheidung auf das Wirken von Rudolf Greifeld für die Universität und die Zusammenarbeit zwischen der beiden Vorgängerinstitutionen des KIT gestützt. Eine Auseinandersetzung mit dem Verhalten von Rudolf Greifeld in der Zeit des Nationalsozialismus fand den Unterlagen zufolge nicht statt.
Mit Blick auf eine mögliche Aberkennung der Ehrensenatorwürde ergab die rechtliche Prüfung, dass die Ehrensenatorwürde, wenn sie zu Lebzeiten verliehen wurde, nach der vorherrschenden Ansicht in der juristischen Literatur mit dem Tod erlischt. Daher ist laut vorherrschender Rechtsauffassung eine nachträgliche Aberkennung faktisch nicht möglich, da diese – wie im Falle Greifelds, der 1984 verstorben ist – ohnehin nicht mehr existiere.
Um die Distanzierung des KIT-Senats von der früheren Ehrung zu dokumentieren, wird der Name Greifelds in der Liste der Ehrensenatoren des KIT mit einem Vermerk versehen, der auf die nationalsozialistische Vergangenheit von Rudolf Greifeld hinweist. Ebenso wird in der Auflistung ausdrücklich vermerkt, dass die Ehrung Greifelds nach dem heutigen Kenntnisstand und auf der Basis ethischer Bewertungen nicht mehr erfolgen würde. Ein weiterer Informationstext soll den Prozess der Auseinandersetzung mit der Biographie Greifelds darstellen. Zudem wird das Gutachten zu Rudolf Greifeld öffentlich zugänglich sein.
Der KIT-Senat betonte in seinem heutigen Beschluss außerdem, dass es zur Kultur des KIT gehöre, die eigene Geschichte vorbehaltlos zu betrachten, wissenschaftlich aufzuarbeiten und sich damit aktiv auseinanderzusetzen.
Um anhand exemplarischer Fälle Rolle und Umgang mit dem Nationalsozialismus innerhalb der Vorläuferinstitutionen des KIT während und nach dem zweiten Weltkrieg zu beleuchten, sollen weitere Biographien möglicherweise belasteter Personen untersucht werden. Diesen Auftrag wird das KIT wiederum extern vergeben, um eine möglichst neutrale Sicht von außen zu erlangen. Außerdem regte der KIT-Senat in seinem Beschluss an, dass sich einschlägige Disziplinen am KIT in Forschung und Lehre noch intensiver mit der Geschichte des ehemaligen Kernforschungszentrums/Forschungszentrums und der ehemaligen Universität Karlsruhe (TH) in der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzen, beispielsweise auch mit belasteten Personen, die sich in dieser Zeit oder nach dem Zweiten Weltkrieg in Führungspositionen befanden.
Der heutige Beschluss des KIT-Senats behandelt auch künftige Ehrungen. So hielt das Gremium ausdrücklich fest, dass Ehrungen nach der Ehrenordnung für ein besonderes Engagement für das KIT erfolgen. Zugleich soll der bzw. die Geehrte aber auch als integre Person dem KIT zur Ehre gereichen, so dass neben dem Engagement auch die Person als Ganzes betrachtet wird.
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.