Bis zu zehn Stunden verbringen Lkw-Fahrer täglich hinterm Steuer. Ein angenehmes Raumklima in der Fahrerkabine ist entscheidend für ihre Leistungsfähigkeit und die Fahrsicherheit. Doch können Klimaanlagen je nach Fahrzeugtyp, Art der Klimaanlage und Betriebsbedingung bis zu 10% Mehrverbrauch verursachen. Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) entwickeln daher effizientere Betriebsstrategien. Um diese mit vergleichsweise geringem Zeit- und Kostenaufwand unter realistischen Bedingungen testen zu können, haben sie einen neuartigen Prüfstand für Klimaanlagen entwickelt.
„Die meisten Autofahrer kennen das Gefühl: Ist die Klimaanlage an, läuft der Motor schwerer, der Wagen fährt weniger sportlich“, sagt Michael Frey vom Institut für Fahrzeugsystemtechnik (FAST) des KIT. Mit einer intelligenten Steuerung ließe sich beispielsweise die beim Ausrollen frei werdende Energie direkt nutzen, um die Klimaanlage mit höherer Leistung zu betreiben. Beim Anfahren hingegen wäre es effizienter, sie zu drosseln und dem Motor die volle Energie bereitzustellen. Um das komplexe Zusammenspiel von Fahrzeug, Klimasystem und Umweltfaktoren optimieren zu können, haben die Forscher zunächst einen neuen Prüfstand entwickelt. Damit können sie auch mehrwöchige Testreihen ohne hohen Kostenaufwand durchführen.
Wie viel Energie eine Klimaanlage tatsächlich verbraucht, lässt sich nicht isoliert ermitteln: „Ihre Effizienz hängt unter anderem vom Fahrbetrieb des Fahrzeugs und den klimatischen Umgebungsbedingungen wie Sonneneinstrahlung, Lufttemperatur und Luftfeuchte ab“, sagt Frey. In feucht-heißen tropischen Zonen müsse eine Klimaanlage viel mehr leisten als etwa im gemäßigten Skandinavien. Wesentlich sei aber auch die Größe der Fahrerkabine sowie das Einsatzprofil von Nutzfahrzeugen: Beispielsweise müssen Paketzusteller ihre Türen häufig öffnen, bei Ferntransporten läuft der Motor über längere Zeit nahezu ununterbrochen. Der neue Prüfstand für Klimaanlagen stellt die Bedingungen auf der Straße so realistisch wie möglich nach, aber mit so wenig technischem und energetischem Aufwand als nötig. „Auf die Temperatur in der Fahrerkabine wirkt sich hauptsächlich der klimatische Zustand der in die Kabine eingetragenen Luft aus, die Erwärmung des Daches und die durch die verglasten Flächen einfallende Sonnenstrahlung“, erklärt Michael Fritz, der den neuen Prüfstand in seiner Doktorarbeit am FAST entwickelte. Es reiche daher aus, nur um die Fahrerkabine – und nicht um den gesamten Lkw – Strahler zu platzieren, die das Lichtspektrum des Sonnenlichts simulieren.
Als Basis des Prüfstands für Klimaanlagen dient ein Allrad-Rollenprüfstand: Das Fahrzeug steht dabei auf vier individuell angetriebenen Rollen, die computergesteuert die auf das Fahrzeug wirkenden Kräfte bei verschiedenen Fahrsituationen wirklichkeitsgetreu nachbilden. „Nun schalten wir mehrere Luftführungskanäle zu: Sie blasen alle relevanten Fahrzeugteile mit dem gewünschten klimatisch konditionierten Fahrtwind an“, sagt Fritz. „Temperatur, Feuchte und das Volumen des Luftstroms können wir beliebig anpassen.“ Das Sonnenlicht, das durch die Kabinenscheiben eines Lkw fällt, ersetzen sechs Sonnensimulationsstrahler. Um das Kabinendach zu erwärmen, verwenden die Forscher kostengünstigeres Infrarotlicht.
Mit einem solchen Prüfstand lassen sich Klimaanlagen zeit- und kostengünstiger testen als auf der Straße oder in einem Klimawindkanal. „So können wir die Fahrerkabine anders als auf der Straße, sämtlichen wetterabhängigen und geografischen Bedingungen aussetzen“, erklärt Fritz. Das leisteten auch Klimawindkanäle. Diese seien jedoch auf Tests am gesamten Fahrzeug ausgelegt und benötigten daher bis zu zehnmal so viele Sonnensimulatoren und weitaus größere Gebläse. Entsprechend hoch seien die Energie- und Personalkosten. Mit der Konzentration auf die Fahrerkabine ließen diese sich am Prüfstand des FAST reduzieren.
Die Entwicklung des Prüfstands fand im Promotionskolleg Projekthaus „e-drive“ statt, das KIT, Daimler AG und Behr GmbH & Co. KG gemeinsam eingerichtet haben.
Das Zentrum Mobilitätssysteme bündelt die fahrzeugtechnischen Aktivitäten des KIT: An den methodischen und technologischen Grundlagen für die Fahrzeuge der Zukunft arbeiten derzeit knapp 40 Institute mit rund 800 Mitarbeitern. Ziel ist es, Konzepte, Technologien, Methoden und Prozesse für die Mobilität der Zukunft zu erarbeiten. Die Wissenschaftler berücksichtigen dabei das komplexe Zusammenspiel von Fahrzeug, Fahrer, Verkehr, Infrastruktur und Gesellschaft.
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.