Presseinformation 047/2017

Optik bringt Quanteninformationsverarbeitung voran

Europäischer Forschungsrat hat Wolfgang Wernsdorfer für die Förderung mit einem ERC Advanced Grant ausgewählt
Wolfgang Wernsdorfer ist Humboldt-Professor am KIT. (Foto: Sandra Göttisheim, KIT)
Wolfgang Wernsdorfer ist Humboldt-Professor am KIT. (Foto: Sandra Göttisheim, KIT)

Der Experimentalphysiker Professor Wolfgang Wernsdorfer vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erhält vom Europäischen Forschungsrat einen ERC Advanced Grant für sein Projekt „Molecular Quantum Opto-Spintronics“ (MoQuOS). Für den Wissenschaftler ist es der zweite Advanced Grant. MoQuOS befasst sich mit der optischen Manipulation und Charakterisierung molekularer Quantenbits. Wernsdorfer, der seit 2016 eine Alexander von Humboldt-Professur innehat, entwickelt in MoQuOS mit seiner Forschungsgruppe schnelle und zuverlässige Methoden, um Spinzustände einzelner magnetischer Moleküle zur Quanteninformationsverarbeitung auszulesen. 

 

Quantenphysikalische Effekte ermöglichen viele neue Anwendungen mit wesentlich verbesserter Kapazität, Sensitivität und Geschwindigkeit in den verschiedensten Bereichen. Ein Beispiel ist die Informationsverarbeitung: Während klassische Computer mit Bits arbeiten, die entweder den Wert Null oder den Wert Eins annehmen, nutzten Quantencomputer als kleinste Recheneinheit sogenannte Quantenbits, kurz Qubits, bei denen es auch Werte dazwischen gibt. Durch Verschränkung von Qubits untereinander entstehen gemischte Quantenzustände, die es ermöglichen, viele Rechenschritte parallel auszuführen. Professor Wolfgang Wernsdorfer, der am Physikalischen Institut (PHI) und am Institut für Nanotechnologie (INT) des KIT eine Forschungsgruppe leitet, befasst sich schwerpunktmäßig mit der molekularen Quanten-Spintronik, einem Gebiet der experimentellen Festkörperphysik an der Schnittstelle zur Chemie und zu den Materialwissenschaften. Er gehört zu den international führenden Experten für molekulare Magnete und ihrem zukünftigen Einsatz in Quantencomputern. 

 

Atomkerne und Elektronen besitzen Drehimpulse, sogenannte Spins, die sich relativ zu einem Magnetfeld entweder nach oben oder nach unten ausrichten und als Qubits fungieren. Molekulare Magnete, hergestellt aus maßgeschneiderten Molekülen, die magnetische Ionen mit einem Spin enthalten, ermöglichen bereits grundlegende Quantenrechenoperationen. Denn mit ihnen lassen sich mehrere Spinzustände erreichen: Allerdings geschah das Auslesen der Spinzustände bisher zu langsam. „In unserem Projekt MoQuOS entwickeln wir optische Methoden, die es erlauben, die Spinzustände sowohl von Atomkernen als auch von Elektronen in einzelnen Molekülen schnell und zuverlässig auszulesen“, erklärt Wolfgang Wernsdorfer. „Damit werden wir einen wesentlichen Flaschenhals der Quanteninformationsverarbeitung beseitigen.“ 

 

Die Forscher um Wernsdorfer setzen hochwertige Quantenemitter ein, das heißt optisch aktive Zentren, beispielsweise Stickstoff-Fehlstellen-Zentren (NV-Zentren) in Diamanten, um die Spinzustände der Moleküle effizient auszulesen. Dabei achten sie besonders darauf, Rückkopplungswirkungen vom Emitter auf das Spinsystem zu minimieren, um die Quantenzustände zu erhalten. Sie setzen verschiedene optische Techniken ein, wie oberflächenverstärkte Fluoreszenz oder oberflächenverstärkte Raman-Streuung, um die Licht-Materie-Wechselwirkung zu unterstützen und das optische Auslesen zu beschleunigen und zu verbessern. MoQuOS wird die Quantenoptik und Quantenelektronik einzelner Spinsysteme wesentlich voranbringen. Die optischen Methoden lassen sich zudem auch für größere Systeme und zweidimensionale Molekülnetzwerke skalieren. 

 

Die aktuelle Auszeichnung für Professor Wolfgang Wernsdorfer ist einer von zwei ERC Advanced Grants, die für die Ausschreibungsrunde 2016 an das KIT gehen. Für Wernsdorfer ist es bereits der zweite ERC Advanced Grant, den ersten warb er am Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) in Grenoble ein.

 

„Von Qubits und spukhafter Fernwirkung“ – aktuelles Interview mit Wolfgang Wernsdorfer auf helmholtz.de: https://www.helmholtz.de/technologie/von-qubits-und-spukhafter-fernwirkung-7563/

 

Bislang haben 13 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des KIT Grants des ERC eingeworben – darunter acht Starting Grants, zwei Consolidator Grants sowie drei Advanced Grants. 

 

ERC Advanced Grants 

Mit Advanced Grants fördert der Europäische Forschungsrat (European Research Council – ERC) wegweisende Projekte etablierter Forscher, die in den vergangenen zehn Jahren herausragende wissenschaftliche Leistungen erbracht haben. Sie erhalten für ihre Projekte jeweils bis zu 2,5 Millionen Euro für einen Zeitraum bis zu fünf Jahren. Wie die Ausschreibung 2016 zeigt, herrscht um die Förderung ein intensiver Wettbewerb: Ingesamt gingen rund 2.400 Anträge von hoher Qualität ein; 231 Projekte wurden für einen Advanced Grant ausgewählt. Das entspricht einer Förderquote von 9,6 Prozent. 

 

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

or, 07.04.2017
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