Mobilfunk, Satellitennavigation, WLAN, Türöffner – moderne Autos nutzen eine Fülle drahtloser Dienste. Die Antennen zum Senden und Empfangen sind meist in der „Haifischflosse“ auf dem Dach montiert. Doch weil die Anzahl der mobilen Kommunikationssysteme und auch die zu bewältigende Datenflut stetig wachsen, werden komplexere Antennensysteme benötigt, und der Platz in den schlanken Modulen wird knapp. Dadurch, dass sich Autos zukünftig zunehmend autonom sicher durch den Straßenverkehr bewegen sollen, wird dieses Problem noch verschärft. Ingenieure des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben jetzt ein rekonfigurierbares Antennensystem entworfen, das zuverlässig große Mengen Daten verschiedener Dienste gleichzeitig bewältigen kann. Ihre Arbeit haben sie im Fachmagazin Progress In Electromagnetics Research vorgestellt.
„Wer möglichst große Datenmengen, möglichst vieler Nutzer gleichzeitig, möglichst fehlerfrei übertragen möchte, steht je nach Umgebung vor unterschiedlichen Herausforderungen“, erklärt Thomas Zwick, Leiter des Instituts für Hochfrequenztechnik und Elektronik (IHE). Er erläutert dies am Beispiel des Mobilfunks: Wer zum Beispiel an einem belebten Ort wie dem Frankfurter Flughafen telefonieren wolle, habe eher ein Kapazitätsproblem. „Denn hier wollen viele Menschen gleichzeitig kommunizieren.“ Wer hingegen in den Alpen ein Telefonat führen wolle, habe oft kein Netz. „Hier geht es dann um die Netzabdeckung.“
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Da die Datendienste der Autos häufig auch sicherheitsrelevant sind, müssen sie aber überall zuverlässig funktionieren. Entscheidend dafür sei die Strahlungscharakteristik, so Zwick weiter. Heute werden Autoantennen verwendet, deren elektromagnetisches Feld sich nach allen Seiten gleichmäßig ausbreitet. „Auf den ersten Blick scheint es die richtige Wahl zu sein, da während sich das Auto bewegt, Signale aus allen Winkelrichtungen empfangen werden können“, sagt Jerzy Kowalewski vom IHE. Das Problem: Zum Beispiel im Stadtgebiet können Signale von Häuserwänden abgelenkt werden. Die Folge: Lückenhafte Übertragung bis zum vollständigen Datenverlust. Hinzu kommen die genannten Kapazitäts- und Abdeckungsprobleme. Lösen soll dieses Problem die MIMO-Technologie (Multiple-Input-Multiple-Output), die Teil des neuen LTE-Mobilfunkstandards ist. Dazu werden allerdings mehrere Antennen mit Sendern und Empfängern benötigt, wodurch die Systeme komplexer, größer und teurer werden.
Am IHE haben die Forscher deshalb mit rekonfigurierbaren Antennensystemen experimentiert, um die Zahl der benötigten Sender und Empfänger auf ein Minimum zu reduzieren. Deren elektromagnetische Felder sind nicht statisch, sondern können ihre Strahlungscharakteristik wechseln. Wie ein Fischer, der sein Netz abwechselnd –oder noch besser: zwei oder mehr Netze gleichzeitig – in unterschiedliche Richtungen auswirft und so eine größere Fangfläche ausbeuten kann: „Mittels Schalter können einzelne Antennenteile im Wechsel ein- oder ausgeschaltet werden, damit ändern sich die Richtcharakteristiken zu den jeweiligen Sendern und Empfängern“, sagt Kowalewski. „Die parallele Übertragung von Daten über unterschiedliche Ausbreitungswege erhöht die Kapazität des Systems und die Datenrate.“
Im Ergebnis kommt Kowaleskis System mit weniger Sendern und Empfängern aus. Das spart nicht nur Kosten, sondern auch Platz. Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Technischen Universität Wien, haben die Karlsruher Forscher zusätzlich untersucht, ob sich ihre Antennen zukünftig nicht platzsparend und aerodynamisch im Dach versenken lassen. In die Karosserie integrierte Antennenkavitäten bieten demnach zehnmal mehr Volumen als die herkömmlichen Haifischflossen-Gehäuse und können vollständig unter der Dachlinie verborgen werden. Diese Ergebnisse wurden auf dem International Workshop on Antenna Technology vorgestellt.
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