In Mensa, Kantine und Supermarktregal gehören pflanzliche Ersatzprodukte für Hähnchenschnitzel und Rindersteaks mittlerweile zum gängigen Angebot. Forscherinnen und Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) nehmen gemeinsam mit Kollegen der TU Berlin die Herstellung dieser Produkte in den Blick. Ihr Ziel: Den proteinreichen Lebensmitteln, etwa auf der Grundlage von Sojabohnen oder Erbsen, eine möglichst fleischähnliche Textur zu verleihen.
Aus gesundheitlichen, ethischen oder ökologischen Gründen entscheiden viele Menschen dazu, ihren Fleischkonsum zu reduzieren. Aber nicht alle, die ihren Eiweißbedarf ganz oder teilweise mit pflanzlichen Ersatzprodukten decken, möchten auch auf den für Fleisch typischen Eindruck beim Kauen verzichten. „Dieses Mundgefühl beruht vor allem auf der faserähnlichen Textur von Fleisch“, erklärt Dr. Azad Emin vom KIT. Der Verfahrenstechniker leitet die Nachwuchsgruppe „Extrusion von Biopolymeren“ im Institutsteil Lebensmittelverfahrenstechnik (LVT) des Instituts für Bio- und Lebensmitteltechnik des KIT.
Die Lebensmittelindustrie nutzt die Extrusion – eine Technik, bei der eine Masse durch eine Düse gepresst wird – schon seit langem, um zum Beispiel Erdnussflips oder Frühstückscerealien herzustellen. Das Verfahren eignet sich auch für die Produktion von fleischanalogen Produkten aus pflanzlichen Proteinen: In der Nassextrusion wird die mit Wasser versetzte teigartige Rohstoffmasse mittels zweier rotierender Schneckenwellen durch ein Gehäuse befördert, erhitzt und am Ende durch eine gekühlte Düse gepresst.
Damit vegetarische Burger-Patties oder vegane Schnitzel den Fleischprodukten aber nicht nur in Aussehen, Geruch und Geschmack, sondern auch in der Textur zum Verwechseln ähnlich sind, wollen die Forscherinnen und Forscher am LVT dazu beitragen, die Struktur von Produkten aus Pflanzenproteinen noch genauer an die von Tierfleisch anzugleichen. Um mehr über die Wechselwirkungen zwischen Druck, Temperatur, Strömung, Scherkräften und Rohstoffeigenschaften zu erfahren, untersuchen sie die Bedingungen in der Produktionsanlage – auch „Extruder“ genannt – sehr genau. Denn bislang war nur wenig darüber bekannt, wie der Prozess im Detail funktioniert.
„Wir haben einen Ansatz und eine Methode entwickelt, die es ermöglichen, den Prozess mit Fokus auf Strukturveränderungen zu untersuchen und zu kontrollieren“, sagt Emin. Bisher habe sich die Produktentwicklung nur zeitaufwendig und kostspielig empirisch, also durch Versuch und Irrtum, vorantreiben lassen. Strömungssimulationen und Strömungsmessungen innerhalb des Extruders sowie Einblicke in das Zusammenspiel von Fließeigenschaften und thermomechanischen Beanspruchungen geben Aufschluss über den Verfahrensprozess und die dadurch hervorgerufenen strukturellen Veränderungen der pflanzlichen Proteine.
Die Untersuchungen der Karlsruher Wissenschaftler sind Teil des Forschungsprojekts „Texturierungsmechanismen bei der Nassextrusion von Soja- und Erbsenprotein“ der Industriellen Gemeinschaftsforschung der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie förderte das Projekt seit 2015 für die Laufzeit von drei Jahren mit insgesamt 690 000, das KIT erhielt davon rund 250 000 Euro. Weitere Projektbeteiligte waren die TU Berlin und das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik in Quakenbrück.
„In unserer weiteren Forschung wollen wir die Struktur und das Mundgefühl unter anderem durch Hinzufügen von Lipiden und vorstrukturierten Proteinkomponenten fleischähnlicher gestalten“, sagt Azad Emin und betont, dass nicht zuletzt angesichts der wachsenden Weltbevölkerung die Versorgung mit pflanzlichem Protein immer wichtiger werde.
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.