In der Osteifel könnten Magmen aus dem oberen Erdmantel in die mittlere und obere Erdkruste aufsteigen. Dies geht aus einer Studie des Erdbebendienstes Südwest mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), dem Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ) und dem Landeserdbebendienst Nordrhein-Westfalen hervor. Die Wissenschaftler präsentieren erstmals Hinweise auf von Magmabewegungen verursachte tiefe und niedrigfrequente Erdbeben unter dem Laacher-See-Vulkan. Allerdings gibt es keine Anzeichen für eine aktuell bevorstehende vulkanische Aktivität. Die Forscher berichten im Geophysical Journal International (DOI: 10.1093/gji/ggy532).
„Die festgestellten Erdbeben werden in großen Tiefen erzeugt und zeichnen sich durch ungewöhnlich niedrige Schwingfrequenzen aus. Ihre Stärke liegt unterhalb der Grenze der menschlichen Wahrnehmung“, erklärt Professor Joachim Ritter vom Geophysikalischen Institut (GPI) des KIT. Die Wissenschaftler sprechen von „Deep-Low-Frequency“-Erdbeben (kurz DLF). Sie werden in einer Tiefe zwischen zehn und über vierzig Kilometern erzeugt, das heißt in der Erdkruste und im oberen Erdmantel. Ihre dominanten Schwingfrequenzen liegen zwischen einem und zehn Hertz und damit deutlich niedriger im Vergleich zu tektonischen Erdbeben vergleichbarer Stärke. In ihrer Studie ermittelten die Forscher von KIT, GFZ, Erdbebendienst Südwest – dem Verbund der Landeserdbebendienste Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg – und Landeserdbebendienst Nordrhein-Westfalen, dass diese Erdbeben in der Osteifel episodisch in zeitlich und räumlich eng begrenzten Gruppen auftreten und sich entlang einer Linie von etwa 10 bis 45 Kilometern Tiefe aufreihen. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass im Bereich des Laacher Sees Fluide und Magmen, das heißt aufgeschmolzenes Gestein, aus dem oberen Erdmantel in die mittlere und obere Erdkruste aufsteigen könnten.
„Dank eines umfangreichen Ausbaus der seismologischen Messnetze in Rheinland-Pfalz und den angrenzenden Gebieten ließen sich 2013 erstmals tiefe und tieffrequente Erdbeben unter der Osteifel registrieren“, sagt Studienleiter Dr. Martin Hensch vom Verbund der Landeserdbebendienste. „Insgesamt wurden in den vergangenen fünf Jahren vier räumlich eng begrenzte Gruppen solcher DLF-Erdbeben in der Osteifel nachgewiesen.“ Die Bebengruppen sind vom Laacher See aus steil nach unten in Richtung Südosten abfallend angeordnet. Neben der räumlichen Trennung ist auch das zeitliche Auftreten der DLF-Erdbeben scharf begrenzt: Bis jetzt haben die Experten acht Episoden von DLF-Erdbeben zwischen 40 Sekunden und acht Minuten Dauer beobachtet.
„DLF-Erdbeben gelten weltweit als Hinweis auf die Bewegung magmatischer Fluide in großer Tiefe“, erläutert Professor Torsten Dahm, Sektionsleiter Erdbeben- und Vulkanphysik am GFZ. „Unter aktiven Vulkanen, beispielsweise auf Island, in Japan oder Kamtschatka, lassen sich solche Erdbeben regelmäßig beobachten.“ Die Ergebnisse der Studie in der Osteifel legen nahe, dass unter dem Laacher-See-Vulkan magmatische Fluide aus dem oberen Erdmantel in die Erdkruste aufsteigen könnten. Dies lässt sich als Hinweis darauf auffassen, dass Magmenkammern in der Erdkruste unterhalb des Laacher Sees existieren und sich langsam füllen könnten.
Allerdings werten die Forscher die beobachteten DLF-Erdbeben nicht als unmittelbares Vorläufersignal einer aktuell bevorstehenden vulkanischen Aktivität. „Der Aufstieg von Magma in die flache Erdkruste geht in aller Regel mit hochfrequenten Erdbebenschwärmen einher. Eine solche Aktivität war in der Osteifel bis jetzt nicht zu beobachten“, berichtet Joachim Ritter. „Außerdem fehlen Hinweise auf Hebungen der Erdoberfläche, die bei massiven Magmenaufstiegen deutlich feststellbar sein müssten“, ergänzt Torsten Dahm. Datierungen der beim letzten Ausbruch vor 12 900 Jahren geförderten Magmen zeigen, dass Befüllung und Differenziation der oberen Magmenkammer unter dem Laacher See etwa 30 000 Jahre gedauert haben könnten, bevor es zum eigentlichen Ausbruch kam. Das bedeutet, dass die magmatischen Prozesse sich über extrem lange Zeiträume hinziehen, bevor es zu einer Eruption kommt. Da die technischen Voraussetzungen zur Detektion und Lokalisierung von DLF-Erdbeben in der Osteifel erst seit einigen Jahren eine ausreichende Qualität erreicht haben, lässt sich rückwirkend nicht feststellen, seit wann DLF-Erdbeben im Bereich des Laacher Sees auftreten. Anzunehmen ist, dass dies bereits vor 2013 der Fall war. Nach der ersten Beobachtung tiefer Erdbeben im Jahr 2013 installierten KIT, GFZ und Erdbebendienst Südwest zusätzlich ein seismologisches Forschungsmessnetzwerk. Die gemeinsame Nutzung der seismischen Registrierungen erlaubt nun die detaillierte wissenschaftliche Analyse der Mikroseismizität.
Um die Zusammenhänge zwischen den DLF-Erdbeben und möglicher magmatischer Aktivität unter der Osteifel besser untersuchen zu können, empfehlen die Forscher eine Intensivierung der geochemischen Überwachung zur Analyse austretender Gase sowie wiederholte geodätische Messungen zur Feststellung möglicher Deformationen der Erdoberfläche. Ebenso sollten gezielte geophysikalische Untersuchungen zur Abbildung und Charakterisierung möglicher Magmareservoire unter der Laacher-See-Region vorgenommen werden. Weiterhin raten die Wissenschaftler zu einer Neubewertung der vulkanischen Gefährdung der Eifel.
Originalpublikation:
Martin Hensch, Torsten Dahm, Joachim Ritter, Sebastian Heimann, Bernd Schmidt, Stefan Stange and Klaus Lehmann: Deep low-frequency earthquakes reveal ongoing magmatic recharge beneath Laacher See Volcano (Eifel, Germany). Geophysical Journal International, 2019. DOI: 10.1093/gji/ggy532
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