Presseinformation 080/2019

Freie Fahrt für Karlsruher Messstraßenbahn

KIT und AVG wollen Schienennahverkehr mit intelligenten Sensoren und Maschinellem Lernen verbessern
Im regulären Fahrgastbetrieb zeichnet die Karlsruher Messstraßenbahn ab sofort mechanische und elektrische Größen sowie unterschiedliche Umgebungsparameter auf. (Foto: AVG/Michael Krauth)
Im regulären Fahrgastbetrieb zeichnet die Karlsruher Messstraßenbahn ab sofort mechanische und elektrische Größen sowie unterschiedliche Umgebungsparameter auf. (Foto: AVG/Michael Krauth)

In einem gemeinsamen Forschungsprojekt haben die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft mbH (AVG) und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ein Stadtbahnfahrzeug mit umfangreicher Messtechnik ausgerüstet. Dieses soll Daten etwa zu Umwelteinflüssen, zur Nutzungsweise oder zum Schienenzustand generieren. Ziel ist es, den Schienennahverkehr mit Verfahren des Maschinellen Lernens im Hinblick auf Sicherheit, Energieeffizienz und Komfort zu optimieren. Jetzt hat die Karlsruher Messstraßenbahn den Betrieb aufgenommen.

 

Durch die regelmäßige Kontrolle ihrer Gleisanlagen mit Messzügen garantieren die Karlsruher Verkehrsunternehmen die Sicherheit ihrer Fahrgäste. Doch wie ein Forschungsprojekt der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft mbH (AVG) in Kooperation mit dem Teilinstitut Bahnsystemtechnik des Instituts für Fahrzeugsystemtechnik am KIT (FAST) nun zeigt, können Messzüge im Zeitalter der Digitalisierung viel mehr leisten, als nur Gleise auf bestehende Schäden zu untersuchen: „Wir haben ein Stadtbahnfahrzeug mit der neusten Messtechnik ausgerüstet“, sagt Professor Peter Gratzfeld vom FAST. „Diese Messstraßenbahn wird nun für unser Projekt Daten produzieren, die wir mit aktuellen IT-Methoden wie Maschinellem Lernen auswerten. Unser Ziel ist es, Sicherheit, Energieeffizienz und Komfort des Schienennahverkehrs zu verbessern und den Verschleiß zu minimieren.“

 

Für die AVG ergebe sich aus dem Kooperationsprojekt ein echter Mehrwert, sagt der technische Geschäftsführer der AVG Ascan Egerer: „Mithilfe der installierten Sensoren erhalten wir eine Vielzahl an wertvollen Informationen dazu, wie sich unser Fahrzeug im täglichen Einsatz verhält und welchen äußeren Einflüssen es kontinuierlich ausgesetzt ist. Je mehr wir über das Fahrzeug erfahren, desto besser können wir künftig Optimierungen an unseren Straßenbahnen, aber auch an der Infrastruktur und am Betrieb vornehmen.“ Die Karlsruher Messstraßenbahn wird ab sofort im regulären Fahrgastbetrieb eingesetzt.

 

Sicherheit, Energieeffizienz und Komfort stehen im Fokus

Um Schäden an der Infrastruktur zukünftig schon früher als mit konventionellen Methoden zu erkennen, wurden Beschleunigungssensoren an den Drehgestellen der Messstraßenbahn angebracht. Diese wollen die Forscher im Zusammenspiel mit GPS-Daten nutzen, um verlässliche Vorhersagen für die Abnutzung der Gleisanlagen zu erstellen. Auch die Energieeffizienz könnte dank der Messstraßenbahn verbessert werden: Zwar wird bereits heute die Bremsenergie von Straßenbahnen ins Oberleitungsnetz zurückgespeist, dies trägt aber nur zur Energieeinsparung bei, wenn eine andere Bahn in der Nähe beim Beschleunigen diese Energie nutzen kann. Gerade in Randbezirken mit weniger gut ausgebautem Netz gehen daher bis zu 30 Prozent der Bremsenergie als Wärme verloren. Anhand ständiger Beobachtung von Parametern wie der Oberleitungsspannung, dem Energieverbrauch des Fahrzeugs sowie der Verlustleistung an den Bremswiderständen soll überprüft werden, an welchen Stellen sich potenziell stationäre Speicher zur Aufnahme der Bremsenergie eignen würden.

 

Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt für die Optimierung des Schienennahverkehrs ist der Fahrgastkomfort. So wurden etwa auch im Fahrgastraum Beschleunigungssensoren verbaut. Eine zu starke Beschleunigung kann vor allem bei der Kurvenausfahrt als unangenehm wahrgenommen werden und mit den Daten dieser Sensoren könnten zukünftig Fahrertrainings konzipiert werden. Für Anwohner wiederum stellt das häufig in Kurven mit geringen Radien auftretende Schienenquietschen eine Lärmbelastung dar. Mit Messmikrofonen im Zusammenspiel mit GPS-Daten, Geschwindigkeit und anderen äußeren Gegebenheiten soll analysiert werden, warum und wo das Quietschen besonders häufig auftritt.

 

Data Mining soll verborgene Zusammenhänge aufzeigen

Die genannten Beispiele zeigen nur einen kleinen Ausschnitt der großen Datenvielfalt, die durch die Karlsruher Messstraßenbahn generiert werden soll. So sind beispielsweise auch CO2-Sensoren sowie Instrumente zur Messung der Sonneneinstrahlung oder Luftfeuchtigkeit verbaut. „Mit Hilfe von Data Mining-Techniken ist geplant, die Daten auch auf bisher nicht bekannte Zusammenhänge zu untersuchen, um die Sicherheit und den Komfort zu erhöhen sowie Kosten und Energieverbrauch zu senken“, erklärt Gratzfeld. Von den Fahrten der Karlsruher Messstraßenbahn werden also Fahrgäste, Betreiber und Hersteller gleichermaßen profitieren.

 

Details zum KIT-Zentrum Mobilitätssysteme: http://www.mobilitaetssysteme.kit.edu

 

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

mhe, 12.06.2019
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