Ultraviolettes Licht gefährdet die Intaktheit des menschlichen Erbguts und kann Hautkrebs verursachen. Forscherinnen und Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zeigen erstmals, dass durch UV-Licht ausgelöste DNA-Schäden auch sehr weit entfernt vom Ort des Strahleneintritts auftreten können. Durch das Herstellen einer künstlich modellierten DNA-Sequenz in neuer Architektur ist es ihnen gelungen, DNA-Schäden über eine Distanz von 30 DNA-Bausteinen nachzuweisen. Über die Ergebnisse berichten sie in der Zeitschrift Angewandte Chemie (DOI: 10.1002/anie.202009216).
„Bisher wurde es nicht für möglich gehalten, dass die Lichtenergie in DNA so weit übertragen werden und dort noch Schäden verursachen kann“, sagt Professor Hans-Achim Wagenknecht vom Institut für Organische Chemie des KIT. Die Fachzeitschrift Angewandte Chemie, in der die Forschungsergebnisse vorgestellt werden, bewertet diese als äußerst wichtig und zählt die Veröffentlichung zu den besten zehn Prozent unter ihren Publikationen. Möglich wurde die Untersuchung durch eine synthetisch hergestellte, veränderte DNA mit einer bestimmten Architektur. In dieses kurze Stück eines Gens hat das Forschungsteam an bestimmten Stellen das Molekül Xanthon als Lichtfänger eingebaut. Um im Experiment festzulegen, wo die durch LED eingebrachte UV-Strahlung Schäden verursachen soll, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in unterschiedlichen, festgelegten Abständen von diesem Lichtfänger Paare von Thyminen eingesetzt. Thymin ist eine von vier Nukleinbasen und damit einer der wesentlichen Bausteine der DNA. Der häufigste durch Licht verursachte Schaden an DNA beruht auf einer Verknüpfung von benachbarten Thyminen: Durch die Lichtenergie bilden sie feste Verbindungen, Cyclobutanpyrimidindimere (CPD).
Durch die definierten Stellen für die CPD-Bildung ist es dem Team gelungen, eine Wanderung der Lichtenergie über 30 DNA-Bausteine beziehungsweise über eine Entfernung von bis zu 10,5 Nanometern nachzuweisen. „Diese erstaunlich lange Reichweite ist fundamental für das Verständnis von DNA-Photoschäden“, sagt Wagenknecht. Denn CPD-Schäden gelten als molekulare Ursache von Hautkrebs. Sie haben zur Folge, dass die Erbinformation nicht mehr oder nicht korrekt abgelesen werden kann.
Bis zu 30 DNA-Bausteine entfernt von der Stelle des Lichteintrags lassen sich Schäden an der DNA nachweisen. (Grafik: Hans-Achim Wagenknecht, KIT)
Die Frage, wie weit die Energie überhaupt wandern kann, ist noch offen. In erster Linie ging es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern darum, zu klären, wo ein Lichtschaden entsteht. Ein weiterer wichtiger Aspekt liegt darin, dass Xanthone, die im Experiment als Lichtfänger künstlich in die DNA eingebracht wurden, sich in vielen Alltagsstoffen befinden können, etwa als Bestandteil eines Antibiotikums, und bei Einnahme die Lichtempfindlichkeit der Haut erhöhen.
Maßgeblich beteiligt an der Publikation waren der Doktorand Arthur Kuhlmann und die Studentin Larissa Bihr aus Wagenknechts Team. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) förderte das Projekt mit der Finanzierung der Doktorandenstelle und mit Sachmitteln in Höhe von insgesamt rund 430 000 Euro. Im nächsten Schritt will die Gruppe den Mechanismus der Energiewanderung im Detail erkunden.
Originalpublikation:
Arthur Kuhlmann, Larissa Bihr, Hans-Achim Wagenknecht: How far does energy migrate in DNA and cause damage? Evidence for long-range photodamage to DNA. Angewandte Chemie, 2020, DOI: 10.1002/anie.202009216.
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