Schadpilze verursachen in der Landwirtschaft enorme Schäden und werden konventionell mit giftigen Fungiziden bekämpft. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben im Projekt DialogProTec gemeinsam mit Partnern aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz umweltverträgliche Alternativen entwickelt, bei denen die chemische Kommunikation von Krankheitserregern mit Pflanzen ausgetrickst wird. Nach Abschluss der Forschungsarbeiten ist die neue Technologie nun einsatzbereit.
Zuerst verfärben sich die Blätter braun, dann stirbt in kurzer Zeit die ganze Weinrebe: Die Pilzkrankheit Esca bedroht den Weinanbau in Europa und verursacht bei Winzerinnen und Winzern jedes Jahr Millionen-Schäden. „Die Krankheit ist in Südeuropa schon seit dem Mittelalter bekannt, hat in der Vergangenheit aber keine große Rolle gespielt“, sagt Dr. Alexandra Wolf vom Botanischen Institut des KIT, die das Projekt DialogProTec koordiniert. „Aufgrund des Klimawandels trifft der Pilz nun aber auf viele geschwächte Pflanzen, die unter Klimastress leiden.“ Im konventionellen Pflanzenschutz werden Pilzerkrankungen wie Esca mit giftigen Fungiziden bekämpft. In DialogProTec entwickelten die Forschenden nun einen völlig neuen Lösungsansatz, der ganz ohne Umweltgifte auskommt: „In der Natur interagieren Organismen durch chemische Signale. Es ist uns gelungen, einige der Signale zwischen Wirt und Krankheitserreger aufzuklären und sie zu manipulieren“, so Wolf. Dieser „Biohack“ sei zielgenau, wirksam – und der ökologische Fußabdruck minimal.
Zur Entwicklung der neuen Methoden hat das Projekt unter Führung des KIT ein transdisziplinäres Forschungsnetzwerk gegründet, in dem Pflanzenwissenschaften und Pilzgenetik genauso vertreten sind wie Mikrosystemtechnik, Organische Chemie und die Agrarwissenschaften. So konnten etwa 20 000 Pilzstämme aus der Sammlung des Instituts für Biotechnologie und Wirkstoff-Forschung (IBWF, Kaiserslautern), und etwa 6 000 Pflanzenarten aus dem KIT genutzt werden.
Mit Hightech den Signalstoffen auf der Spur
Um die richtigen Signale zu identifizieren und nutzbar zu machen, arbeiteten die Forschenden allerdings nicht mit ganzen Pflanzen und Pilzen, sondern mit einzelnen Zellen. Ein gemeinsam mit dem Institut für Mikrostrukturtechnik des KIT entwickelter Mikrofluidik-Chip diente dabei als Basis für ein Ökosystem im Miniaturformat. „Zellen von Pflanzen und Pilzen werden auf wenige Quadratzentimeter großen Chips so platziert, dass sie sich nicht berühren, aber chemisch über einen mikrofluidischen Strom miteinander interagieren können“, sagt Christian Metzger vom Botanischen Institut des KIT. „Um diese Interaktion sichtbar zu machen, haben wir das Erbgut der Pflanzenzellen zuvor mit einem Genschalter und einem Fluoreszenzgen ausgestattet. Immer wenn ein chemisches Signal das Immunsystem aktiviert, können wir ein grünes Leuchten messen.“ Die Genschalter stammen dabei aus wilden Weinreben, bei denen die Forschenden zuvor eine besonders aktive Immunantwort feststellten.
Pflanzenimpfung vor dem Praxistest
Bei ihren Untersuchungen dekodierten die Forschenden zunächst die chemische Kommunikation zwischen Pilz und Pflanze, die einen Pilzbefall begleitet. Dabei identifizierten sie unter anderem Signalstoffe, mit denen der Pilz die Immunantwort der Pflanze unterdrückt. „Sie sind Teil einer in langer Evolution ausgeprägten chemischen Wechselwirkung und werden produziert, sobald der Pilz spezifische Stresssignale der Pflanze wahrnimmt“, erklärt Professor Peter Nick, der das Projekt und das Botanische Institut leitet. Anschließend identifizierte das Team Moleküle, mit denen sich die Immunantwort reaktivieren lässt. „Nutzt man sie für den Pflanzenschutz, kann die Pflanze den Pilz in vielen Fällen abwehren. Das kann man sich wie eine Impfung für Pflanzen vorstellen“, so Nick.
Inzwischen ist die innovative Technologie von DialogProTec bereits auf dem Weg in die Praxis und soll bald auf dem Feld erprobt werden. Neben einer Alternative für Fungizide entwickelte das Projektteam außerdem neue Ansätze, um das Pflanzenwachstum zu fördern oder um Unkraut zu bekämpfen. Hier könnten Signalstoffe zukünftig ebenfalls giftige Herbizide ersetzen.
Über DialogProTec
Neben dem KIT waren an der Forschung die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, die Universität Straßburg, das Institut für Biotechnologie und Wirkstoff-Forschung (IBWF) sowie das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) aus der Schweiz beteiligt. Die Forschung wurde im grenzüberschreitenden EU-Programm Interreg Oberrhein gefördert. Während der Laufzeit des Projekts entstand ein Netzwerk aus landwirtschaftlichen Betrieben (wie Wein- und Obstbaubetriebe) sowie der Industrie (Pflanzenschutz- und Technologieunternehmen), mit denen die Forschenden auch zukünftig zusammenarbeiten.
Weitere Informationen: https://www.dialogprotec.eu
Details zum KIT-Zentrum Klima und Umwelt: https://www.klima-umwelt.kit.edu
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.