Aus erneuerbaren Quellen hergestellte synthetische Kraftstoffe, sogenannte reFuels, gelten als möglicher Gamechanger im Kampf gegen den Klimawandel. Denn reFuels versprechen nicht nur eine bis zu 90-prozentige CO2-Reduktion gegenüber herkömmlichen Treibstoffen, sie erlauben auch die weitere Nutzung der bestehenden Fahrzeugflotten mit Verbrennungsmotor – und der gesamten Tank-Infrastruktur von der Herstellung über den Transport bis zum Vertrieb. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben jetzt in einem großangelegten Projekt mit Partnern aus der Wirtschaft in umfangreichen Anwendungstests in Flotten bewiesen, dass reFuels in fast allen Fahrzeugen eingesetzt und in absehbarer Zeit in großen Mengen hergestellt werden können. Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens „reFuels – Kraftstoffe neu denken“ haben sie am Montag, 19. September, in Karlsruhe vorgestellt.
„Der Einsatz klimaneutraler Kraftstoffe ist vor allem dann sinnvoll, wenn batterieelektrische Lösungen noch keine echten Alternativen darstellen. Insofern freut es mich sehr, dass das KIT nun eindrucksvoll belegen konnte, dass reFuels für bestimmte Anwendungsgebiete eine gleichermaßen klimafreundliche und wirtschaftliche Lösung sind“, sagt Berthold Frieß, Ministerialdirektor im Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg, anlässlich der Ergebnispräsentation von „reFuels – Kraftstoffe neu denken“, dem ersten reFuels-Projekt innerhalb des Strategiedialogs Automobilwirtschaft Baden-Württemberg (SDA). „Das Projekt zeigt außerdem, dass sich der Einsatz des Landes und der weiteren Projektpartner für erneuerbare Kraftstoffe gelohnt hat. Baden-Württemberg bleibt damit Vorreiter bei der Mobilitätswende.“ Das Verkehrsministerium hat das Projekt im Rahmen des SDA mit fünf Millionen Euro gefördert, weitere 15 Millionen Euro kamen aus der Wirtschaft.
Bestehende Fahrzeugflotten können umweltfreundlich weiter genutzt werden
„Auf flüssige Kraftstoffe werden wir auf absehbare Zeit nicht verzichten können, etwa im Bereich des Schwerlastverkehrs, der Schiff- und Luftfahrt, aber auch in der Auto-Bestandsflotte“, sagt Professor Thomas Hirth, Vizepräsident für Transfer und Internationales des KIT. „Im Projekt ‚reFuels – Kraftstoffe neu denken‘ haben wir jetzt gezeigt, dass reFuels sowohl bei alten und neuen Autos, als auch bei Nutzfahrzeugen oder Lokomotiven funktionieren“, so Hirth weiter. „Kurz, reFuels sind heute voll und ganz alltagstauglich!“
CO2-Reduktion von bis zu 90 Prozent
„Wir konnten tonnenweise reFuels herstellen, die in den bestehenden Kraftstoffnormen für Otto- und Dieselkraftstoffe liegen und im Serieneinsatz in verschiedensten Motoren keine Beeinträchtigung bei Leistung oder Verschleiß gezeigt haben“, erläutert Dr. Olaf Toedter vom Institut für Kolbenmaschinen des KIT. Hergestellt und getestet haben die Forschenden des KIT Benzin und Diesel. Dabei haben sie eine CO2-Reduktion von 22 bis 90 Prozent erreicht, je nach Mischungsverhältnis zwischen synthetisierten und fossilen Kraftstoffen, eingesetzten Ausgangsstoffen und Energien.
Industrielle Produktionsanlage in Karlsruhe geplant
Als nächsten Schritt wollen die Projektpartner auf dem Gelände der MiRO-Raffinerie in Karlsruhe eine industrielle Produktionsanlage für reFuels errichten: „Perspektivisch wollen wir fossile Rohstoffe durch erneuerbare Energieträger ersetzen“, erklärt Dr. Andreas Krobjilowski, technischer Geschäftsführer der MiRO. „Viele der dazu erforderlichen Technologien und Prozesse sind in Deutschland bereits vorhanden. MiRO verfügt dazu über das Know-how und die Erfahrung, derartige neue und innovative Anlagen zu errichten und zu betreiben.“ Derzeit noch nicht ausreichend verfügbar seien jedoch bezahlbare Mengen grünen Wasserstoffs, um auf eine treibhausgasneutrale Produktion umzustellen. Hergestellt werden sollen die Vorprodukte für die reFuels-Kraftstoffe wie synthetisiertes Fischer-Tropsch-Öl oder Methanol deshalb in Ländern, die über mehr Wind- oder Sonnenenergie verfügen als Deutschland, zum Beispiel Chile oder Südspanien. Die eigentlichen reFuels wie Benzin, Diesel oder Kerosin könnten dann in heimischen Raffinerien wie MiRO produziert werden. „Für den dringend erforderlichen schnellen Markthochlauf brauchen wir jedoch Klarheit und langfristige Sicherheit für die Anrechnung von erneuerbaren, strombasierten Kraftstoffen auf die Treibhausgasminderungsquote“, so Krobjilowski.
Reine reFuels-Kraftstoffe in Reichweite
Weiter arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran, den reFuels-Anteil an den Kraftstoffmischungen innerhalb der bestehenden Kraftstoffnormen zu steigern. „Bis hin zum reFuels-Reinkraftstoff“, sagt Toedter. Bereits laufende Tests verliefen vielversprechend. Allerdings fehlen dafür noch klare regulatorische Rahmenbedingungen, denn in Deutschland sind bisher nur bis zu 33 Prozent Beimischung von reFuels erlaubt.
Das Projekt „reFuels – Kraftstoffe neu denken“
Im Projekt haben Forschende seit 2018 Herstellung und Einsatz von erneuerbaren Kraftstoffen ganzheitlich betrachtet. Solche Kraftstoffe können bestehende Verbrennungsmotoren zukünftig antreiben – in Flugzeugen, Nutz- und Schienenfahrzeugen sowie in Autos. Sechs Institute des KIT arbeiteten gemeinsam mit zahlreichen Partnern aus Energiewirtschaft, Mineralöl-, Automobil- und Zulieferindustrie unter dem Dach des Strategiedialogs Automobilwirtschaft des Landes Baden-Württemberg an der Bereitstellung und Einführung von reFuels. Zwei Pilot- und weitere Technikanlagen des KIT lieferten regenerative Kraftstoffe, die aufbereitet, charakterisiert und in Versuchsmotoren sowie Fahrzeugen getestet wurden. So konnten Syntheseverfahren für reFuels und auch deren Nutzung optimiert werden, um zum Beispiel neben der CO2-Reduktion auch Rohemissionen zu reduzieren.
Weitere Informationen: http://www.refuels.de
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.