Der Europäische Forschungsrat (ERC) zeichnet den Optoelektroniker Uli Lemmer vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit einem Advanced Grant aus. Im Projekt ORTHOGONAL soll ein kostengünstiges und skalierbares Verfahren zur Herstellung thermoelektrischer Generatoren (TEGs) entwickelt und erprobt werden. TEGs wandeln Umgebungswärme direkt in elektrische Energie um und bieten vielfältige Potenziale, ungenutzte Abwärme zurückzugewinnen. Ebenso können Sensoren für das Internet der Dinge (IoT) und tragbare Elektronikgeräte (Wearables) nachhaltig mit Energie versorgt werden. Der ERC fördert das Vorhaben in den nächsten fünf Jahren mit 2,4 Millionen Euro.
„Uli Lemmer treibt seit vielen Jahren neue Technologien für eine nachhaltige und ressourcenschonende Gesellschaft voran“, sagt Professor Oliver Kraft, Vizepräsident Forschung des KIT. „Seine Projekte in der gedruckten Elektronik führen erstklassige Materialforschung mit neuen Konzepten für elektronische Bauelemente zusammen. Ich freue ich mich sehr, dass der ERC ihn für seine exzellente Forschung mit einem Advanced Grant auszeichnet.“
Thermoelektrische Generatoren aus der Druckmaschine
Mit dem Projekt „Origami inspired thermoelectric generators by printing and folding“, kurz ORTHOGONAL, fokussiert sich Professor Uli Lemmer, Leiter des Lichttechnischen Institutes (LTI) des KIT, auf ein neues Herstellungsverfahren für TEGs. Diese können die Abwärme aus Industrieprozessen, Kraftwerken, Heizsystemen oder Geothermie direkt in elektrische Energie umwandeln. „TEGs sind ein wirksamer Hebel, um die Energieeffizienz zu steigern und gleichzeitig die Milliarden von Sensoren zu versorgen, die in unserer digitalisierten Wirtschaft und Gesellschaft im Einsatz sind“, erläutert Lemmer. Bislang können TEGs nur in aufwendigen Fertigungsverfahren aus Einzelteilen produziert werden. Um sie skalierbar für Anwendungen vom Mikrometerbereich bis hin zu Quadratmetern herstellen zu können, machen sich Lemmer und sein Forschungsteam die Vorteile von Drucktechnologien zunutze.
Von der japanischen Faltkunst inspiriert
Im Vorhaben ORTHOGONAL wollen sie anorganische Nano-Komposit-Materialien mit hohem Wirkungsgrad erforschen und für die gedruckte Elektronik nutzbar machen. Die pulverisierten Nanopartikel werden dabei im ersten Schritt zu druckbaren Tinten verarbeitet, die auf ultradünne Substrate aufgetragen, verschmolzen und mit Hilfe des photonischen Sinterns, also mit gepulstem Licht, ausgehärtet werden. Im zweiten Schritt wird die so entstandene 2D-Folie wie beim Origami in die gewünschte 3D-Geometrie gefaltet.
Maßgeschneiderte TEGs für individuelle Anwendungen
„Das neue Verfahren macht nicht nur die Produktion kostengünstig und skalierbar. Es ermöglicht auch die Herstellung einer neuen Generation maßgeschneiderter TEGs, die sich als individuelles Bauteil an die jeweiligen Anwendungen anpassen“, sagt Lemmer. Diese reichen vom Einsatz in Wearables wie Fitnessarmbändern über intelligente Industriesensoren und Heizungsventile bis hin zu Wärmetauschern. Bis zum Ende der fünfjährigen ERC-Förderung will Lemmer zwei Demonstratoren entwickelt haben: einen für den kleinflächigen Gebrauch in einem energieautarken Sensorknoten, einen weiteren für den großflächigen Einsatz in einem Wärmetauscher. Aufbauen kann der 58-jährige Experte dabei auf mehr als dreißig Jahren Erfahrung mit Festkörper-Halbleiterbauelementen, mehreren Patenten und einem Proof-of-Concept für die thermoelektrischen Materialien und das Bauelementdesign.
ERC Advanced Grants 2022
Mit den ERC Advanced Grants fördert der Europäische Forschungsrat (ERC) etablierte Spitzenforschende mit einer herausragenden wissenschaftlichen Leistung, die neue Forschungsgebiete erschließen möchten. Maßgeblich für die Begutachtung ist die wissenschaftliche Arbeit aus den letzten zehn Jahren vor der Antragstellung. An der Ausschreibungsrunde 2022 beteiligten sich 1647 Forschende. Der ERC vergab Advanced Grants für insgesamt 218 herausragende Forschungsprojekte in 20 Ländern mit einem Gesamtfördervolumen von 544 Millionen Euro, davon 37 an deutsche Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Die Erfolgsquote liegt bei 13,2 Prozent.
Weitere Informationen: https://erc.europa.eu/news-events/news/erc-2022-advanced-grants-results
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