Presseinformation 077/2024

Wie die Energiewende gelingen kann

Helmholtz-Studie entwirft integrative Szenarien: Für eine nachhaltige Transformation müssen auch soziale und ökonomische Aspekte einbezogen werden
Integrative Zukunftsszenarien für die Energiewende beziehen in Analysen sowohl technische als auch soziale Aspekte ein.
Zukunftsszenarien für die Energiewende beziehen in Analysen sowohl technische als auch soziale Aspekte ein. (Grafik: Mediengestaltung, CSE-MEP/KIT)

Bis zum Jahr 2045 will Deutschland die Energiewende vollziehen. Wie eine nachhaltige Transformation des Energiesystems gelingen kann, skizzieren Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und des Forschungszentrums Jülich (FZJ). In einem „Policy Briefing“ analysieren die Wissenschaftler der Helmholtz-Gemeinschaft dabei mögliche Zukunftsszenarien und beziehen ökologische, ökonomische, institutionelle, organisatorische und soziale Aspekte ein. 

„Kern unserer Analysen sind soziotechnische Energieszenarien und eine Abschätzung ihrer jeweiligen Auswirkungen hinsichtlich Nachhaltigkeit“, sagt Jürgen Kopfmüller vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des KIT. „Wir möchten der Politik damit gute Entscheidungsgrundlagen anbieten, um unser Energiesystem bis 2045 nachhaltig und klimaneutral umzubauen.“ Der integrative Szenarioansatz werde dabei der Komplexität besser gerecht als viele derzeit diskutierte Szenarien.

Elektrifizierung in den Fokus stellen

So raten die Autoren, die das Briefing im Helmholtz-Programm „Energy System Design“ (ESD) erarbeitet haben, davon ab, bei künftigen Energieszenarien nur die Entwicklung von Bevölkerung und Wirtschaft zugrunde zu legen, da diese schwer vorhersehbar seien. Denn globale Ereignisse wie Konflikte oder die Entwicklung der EU beeinflussen die Zuwanderung und Bevölkerungsentwicklung ebenso wie die Weltmärkte die deutsche Wirtschaft. Je nach Szenario unterscheidet sich der Energiebedarf deshalb erheblich. 

„Die Elektrifizierung von Produktions- und Transportprozessen sollte im Zentrum künftiger Strategien stehen. Wir brauchen eine räumliche und zeitliche Flexibilität im Stromsektor, voraussichtlich ergänzt durch den Einsatz von vorwiegend importiertem grünem Wasserstoff“, sagt Professor Patrick Jochem vom DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme. Für die Transformation des Wärmesektors wiederum sei ein Zusammenspiel von energetischer Gebäudesanierung, Energieträgerwechsel und dem Ausbau der Strom- und Wärmenetze nötig. 

Als Folge der Elektrifizierung könnte der Strombedarf bis 2045 von derzeit rund 600 Terawattstunden auf 1 100 bis 1 300 Terawattstunden jährlich steigen. „Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen muss in Deutschland also viel schneller ausgebaut werden“, so Jochem. „In unseren Szenarien sehen wir einen notwendigen Anstieg der installierten Leistung bis 2045 bei Photovoltaik auf 370 bis 435 Gigawatt, bei Windkraft an Land auf 210 bis 220 Gigawatt und bei Windkraft auf See auf 53 bis 70 Gigawatt. Das ist mehr als das Dreifache der heute installierten Leistungen. Durch Aufstockung der bestehenden Anlagen käme das aber nicht einer Vervierfachung der Anlagenbestände gleich.“

Nebenwirkungen und Belastungen mitdenken

Der Ausbau sollte mit dem Aufbau einer Infrastruktur für ein effektives Kohlendioxid-Management flankiert werden, mit der sich Kohlendioxid speichern oder aufbereiten lässt. Denn nach heutigem Stand seien Treibhausgasemissionen vor allem in Landwirtschaft und Industrie auch künftig nicht vollständig vermeidbar, so die Prognose der Autoren. Um den ebenfalls steigenden Bedarf an kritischen Rohstoffen wie Lithium, Kobalt oder Nickel zu decken, brauche es zudem geeignete Strategien, dies umweltverträglich und mit möglichst geringen geopolitischen Risiken zu gestalten. 

„Insgesamt steigern die untersuchten Transformationsstrategien die Wertschöpfung im Inland“, betont Dr. Stefan Vögele vom Institute of Climate and Energy Systems – Jülicher Systemanalyse. Arbeitsplätze in energieintensiven Industrien würden vermutlich verlagert, aber nicht zwingend reduziert. „Die Politik muss allerdings Sorge tragen, mögliche zusätzliche Belastungen für Haushalte mit geringem Einkommen zu minimieren – auch, um die Akzeptanz der Energiewende nicht zu gefährden“, so Vögele.
(aka)

Zur Studie „Die Energiewende integrativ denken“
 

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

KAR, 11.10.2024
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