Presseinformation 107/2024

Elektromobilität: Prognosemodell für den Reifenabrieb im Lieferverkehr

Forschende des KIT und des Fraunhofer ITWM untersuchen Einflussfaktoren des Reifenabriebs bei elektrifizierten Fahrzeugen
Menge an Gummipartikeln, die durch typischen Reifenabrieb entsteht, im Vergleich zu einer 1-Cent-Münze
Gummiabrieb bei typischer Reifenverschleißrate (30 g pro 1000 km) – im Projekt RAMUS untersuchen Forschende Entstehungsfaktoren und Einflussgrößen. (Foto: Martin Gießler, KIT)

Beim Kontakt zwischen Reifen und Fahrbahn entstehen nach Schätzung des Umweltbundesamtes in Deutschland jährlich mindestens 100 000 Tonnen Reifenabrieb. Das entspricht etwa einem Drittel der jährlich freigesetzten Mikroplastik-Emissionen in Deutschland. Durch ihr höheres Gewicht verursachen Fahrzeuge mit Elektroantrieb oft mehr Reifenabrieb als solche mit Verbrennungsmotor. Das Entstehen der Abriebmenge bei elektrifizierten Fahrzeugen untersuchen Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik im Projekt RAMUS (steht für: Reifenabriebsmessung und Simulation). Um ein Prognosemodell für Reifenabrieb zu entwickeln, testen sie Reifen an einem Prüfstand in Betriebszyklen, die das reale Nutzungsverhalten in geraffter Form abbilden.

Der elektrifizierte Lieferverkehr spielt eine Schlüsselrolle bei der klimaneutralen Mobilität, doch der Reifenabrieb bleibt dabei eine Herausforderung. Die Fahrzeuge lassen durch das Gewicht der Batterie sowie hohe Anfahrmomente eine im Vergleich zu konventionell angetriebenen Fahrzeugen grundsätzlich die Freisetzung höherer Mengen an Reifenpartikeln in Form von Mikroplastik erwarten, die in der Luft als Feinstaub, in Gewässern als Sediment und in Böden als Verunreinigungen auffindbar sind. „Im Gegensatz zu bisher im Fokus stehenden Verschmutzungsquellen wie Abgasen sind die Einflüsse auf den Entstehungsprozess noch wenig erforscht“, erläutert Dr. Martin Gießler vom Institut für Fahrzeugsystemtechnik (FAST) des KIT, der dort die Arbeitsgruppe „Reifen-Rad-Fahrbahn“ leitet.

Forschung mit realen Verkehrsdaten

Durch die Euro-7-Norm werden nun erstmals Grenzwerte für den Reifenabrieb eingeführt, die für neue Reifentypen ab 1. Juli 2028 für PKW, ab 1. April 2030 für leichte Nutzfahrzeuge und ab 1. April 2032 für schwere Nutzfahrzeuge und Busse gelten. „Um den Abrieb reduzieren und die neuen Grenzwerte einhalten zu können, müssen wir genauer erforschen, wie Abrieb entsteht und wie sich beispielsweise das Gewicht des Fahrzeugs oder die Reifenart auf die Menge des Abriebs auswirken“, sagt Gießler. Zu den möglichen Einflussgrößen zählen aber auch das Fahrverhalten wie Beschleunigen und Bremsen, die Straßenbedingungen wie Temperatur und Nässe oder die Verkehrsbedingungen wie Stau.

„Wir nutzen Mobilitätsdaten und Fahrprofile vom elektrifizierten Lieferverkehr, mit deren Hilfe wir geraffte Betriebsprofile für die Abriebtests am Reifenprüfstand definieren. Die so gewonnenen Daten verwenden wir für die Entwicklung eines simulationsgestützten Prognosemodells“, so Gießler. Die Forschenden statten hierfür einen Reifenprüfstand mit einem realen Asphaltbelag aus und vermessen den Reifen hinsichtlich seines Kraftübertragungs- und Abriebverhaltens unter verschiedenen Betriebsbedingungen.

Reifen- und Prognosemodell für Vorhersage des Abriebs

Darüber hinaus wollen die Forschenden auf Basis von Prüfstandtests und Simulationen ein Reifenmodell entwickeln, das große Datenmengen zum Verschleiß von virtuellen Reifen liefern soll. Die gewonnenen Daten aus den realen und virtuellen Untersuchungen fließen anschließend in ein Prognosemodell ein: Dieses soll vorhersagen, wie verschiedene Faktoren – die Art des Reifens, die Belastung, das Fahrzeug oder die Fahrweise – den Reifenabrieb beeinflussen. Um die Ergebnisse des Projekts für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wird das Konsortium die Methode in Publikationen vorstellen und die gewonnenen Daten auf einer frei zugänglichen Plattform bereitstellen.

Über RAMUS:

Innerhalb der Innovationsinitiative mFUND fördert das Bundesministerium für Digitales und Verkehr RAMUS mit insgesamt 199 738 Euro. Neben dem KIT als Koordinator ist das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM involviert. Das Projekt startete im Dezember 2024 und läuft bis 2026.

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

ase, 17.12.2024
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