Aus alt mach neu: Wie Beton recycelt werden kann
Die Herstellung von Beton ist eine der Hauptquellen industrieller Treibhausgasemissionen. Im Projekt „Zero Emission Circular Concrete“ entwickelt das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) eine wegweisende Lösung, um diese zu begrenzen.
Die Produktion von Beton ist weltweit für sechs bis neun Prozent aller vom Menschen verursachten CO2-Emissionen verantwortlich. Ausschlaggebend dafür ist die Herstellung des Zwischenprodukts Zement. In Deutschland ist die Betonproduktion die drittgrößte Quelle industrieller Treibhausgasemissionen. Das sind Zahlen, die Dr. Rebekka Volk umtreiben. Die Ingenieurin forscht am Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion des KIT an der klimaneutralen Industrie der Zukunft.
„Angesichts der fortschreitenden Klimakrise müssen wir hier dringend etwas tun“, sagt Volk. „Schnelle Lösungen sind allerdings nicht zu erwarten. Die Entwicklungen in der Baubranche sind sehr langsam und erfordern zuvor viel Forschung. Auch die Markteinführung ist zeitintensiv. Aber immerhin sind uns die Stellschrauben bekannt.“ Rund 60 Prozent der Treibhausgasemissionen bei der Betonherstellung sind Prozessemissionen der Zementindustrie. Die restlichen 40 Prozent stammen aus den Brennstoffen, die zum Betrieb des Hochtemperaturprozesses nötig sind. „Am KIT haben wir uns zum Ziel gesetzt, diese Emissionen durch eine möglichst effiziente Kreislaufführung von Beton nahezu vollständig zu vermeiden. Dazu sind neue Verfahren nötig“, so Volk.
Betonherstellung auf einen Blick:
Zur Herstellung von Beton werden drei Hauptkomponenten eingesetzt: über 80 Prozent Kies und Sand, 10 bis 15 Prozent Zement und Wasser. Durch Mischen entsteht ein beliebig formbares Material, das nach einigen Stunden erhärtet. Insbesondere der Zement verschlechtert dabei die Umweltbilanz. Für die Herstellung werden Rohstoffe wie Kalkstein, Ton und Sand gemahlen und in Drehrohröfen bei rund 1 450 Grad Celsius gebrannt. Der dabei entstehende Klinker wird später unter Zugabe von Wasser erhärtet und dient als Bindemittel. Im fertigen Zement werden dem Klinker weitere Bestandteile wie Gips, Kalk oder Hüttensand beigemischt. Die Produktion benötigt viel Energie und es werden im Prozess klimaschädliche Gase ausgestoßen.
Die Ausgabe 2024/1 des Forschungsmagazins lookKIT widmet sich effizienter Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft.
Zum MagazinStarke Partnerschaften am KIT und mit der Industrie
Natürliche Verbündete fand die Ingenieurin dabei im Team um Dr. Peter Stemmermann vom Institut für Technische Chemie des KIT, der sich seit zwei Jahrzehnten genau damit beschäftigt. Seine Lösung: Aus bisher nicht genutzten Abfällen des heutigen Betonrecyclings neuen Zementklinker herzustellen. „Wenn wir Altbetonreste einsetzen, können wir mit unserem neuen Verfahren, das wir mit erneuerbarem Strom beheizen, die CO2-Emissionen um bis zu 60 Prozent reduzieren“, erklärt Stemmermann. „Das restliche CO2 binden wir chemisch in dem bereits heute rezyklierten Betonbruch.“
Gemeinsam mit Industriepartnern wie EHL AG und Heinrich Feess GmbH arbeiten Volk und Stemmermann in mehreren Projekten am „Zero Emission Circular Concrete“. Vom Altbeton über die energiesparende Herstellung eines speziellen Klinkers mit Recyclinganteil bis hin zum neu gemischten Beton wird dabei ein CO2-neutraler, hochwertiger und ressourceneffizienter Betonkreislauf entwickelt und im industriellen Maßstab demonstriert. Auf der Hannover Messe 2024 stellte das Team dieses neue Verfahren erstmals einer breiten Öffentlichkeit vor.
Nachhaltiger Betonkreislauf bindet CO2 im Recycling-Beton
Im neuen Verfahren der Karlsruher Forschenden wird der Altbeton in einem ersten Schritt zerkleinert. Dabei entsteht 70 bis 80 Prozent grobes Aggregat, das bereits heute im Straßen- und Wegebau wiederverwendet wird. Die restlichen 20 bis 30 Prozent fallen bislang aber als Abfall an. „Dieses Feinmaterial ist für die Industrie insofern interessant, als dass darin der Zement, also das eigentliche Bindemittel des Betons, angereichert ist“, erklärt Stemmermann.
Dieses Feinmaterial wird bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen von um die 1 000 Grad Celsius unter Zugabe von Kalk zu neuem Klinker gebrannt. Dieses Verfahren sei aus mehreren Gründen umweltschonend, betont Stemmermann: „Erstens wird durch die niedrige Temperatur weniger Energie benötigt und damit weniger CO2 freigesetzt. Zweitens entsteht ein belithaltiger, kalkarmer Klinker, was die Emissionen weiter reduziert. Drittens fangen wir das bei der Klinkerherstellung natürlich freigesetzte CO2 ab und nutzen es im weiteren Prozess, um es dauerhaft im Recycling-Beton zu binden und dabei noch dessen Eigenschaften zu verbessern.“ Vor allem der letzte Punkt sei ein entscheidender Fortschritt für eine nachhaltigere Betonherstellung, betont Stemmermann.
Pilotanlage steht kurz vor der Eröffnung
„Entscheidend für den Erfolg neuer Technologien ist oft nicht, dass alles, was wir tun, völlig neu ist. Es kommt auch darauf an, wie die Verfahrensschritte kombiniert werden und ob es für die Industrie praktikabel ist, die Prozesse umzustellen“, sagt Volk. „So ist nach unseren Erkenntnissen die im Zementprozess benötigte Prozesswärme der größte Kostentreiber der Betonherstellung.“ Entscheidend sei daher, dass die Verfahrensschritte mit erneuerbaren Energien und modernen, energiesparenden Heizmethoden betrieben würden. Der neue Betonkreislauf basiere aber auch auf gänzlich neuen, innovativen Verfahrensschritten, für die es bisher keine belastbaren Daten gebe. Hier konnten die Forschenden am KIT Pionierarbeit leisten. „Jetzt werden wir den emissionsfreien Betonkreislauf bis zur Marktreife weiterentwickeln“, so Volk. Die Eröffnung einer Pilotanlage soll noch in diesem Jahr der nächste Schritt sein.
Maximilian Ferber, 16.05.2024